k )■ '^' ^-^■;:,# -ru:,. i'-m .:.iäl*' ■ ■ , ^- ■ ■ ;• . *■■■ ^ ■ f .«^Yj ÜNIVERSITV p OF >; S^" 'V<Ä iMsTtl.^krfnHa M Y^ 1 LIBRARY k 1 ,££>»<'•( .v> PALAr.STkA. Untersuchungen und 'l'exte aus der deutschen und enghschen Philologie. HoratisL^oi,'-('lion von Alois ßraiull, (iiistav Koetlio und Frich Srlnnitlt. XLVIT. Die literarischen Vorlagen der Kinder- und Hausmärchen und ihre Bearbeitung durch die Brüder Grimm. Von Hermann Hamann. BERLIN. MAYER E. MÜLLER. 1906. PALAESTRA XLVII. Die literarischen Vorlagen der Kinder- und Hausmärchen und ihre Bearbeitung durch die Brüder Grimm. Von Dr. Hermann Hamann. BERLIN. MAYER X- MÜLLER 1906. GiriÄÄuy Vorwort. Df'r erste Teil clor vorliegenden Arbeit, die den Grinimpreis erhalten hat. erschien 1905 als Berliner Dissertation. Angeregt wurde sie von meinem Lehrer Herrn Geheimrat Prof. Dr. Erich Schmidt, dem icli für alle freundliche Unterstützung, die er mir bei der Ab- fassung hat angedeihen lassen, auch an dieser Stelle meinen ergebensten Dank ausspreche. H. Hamann. Einleitung. Die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm sind trotz der hoben Stellung, die sie in der Geschichte der deutschen Litteratur einnehmen, noch nicht zum Gegen- stand einer wissenschaftlichen Untersuchung gemacht worden. Zwar hat die Forschung reiche Nachweise über die Verbreitung des internationalen Märchenstoffes geliefert und indirekt dadurch auch die Grimmsche Sammlung in eine hellere Beleuchtung gerückt, aber es fehlt an einer Arbeit über das Zustandekommen des Werkes selbst. Auch Stil und Sprache blieben bisher noch ungeprüft, obgleich sie doch eigenartig genug vom Herkömmlichen abweichen und schon durch die Neuheit zu näherer Be- trachtung einladen müssten. — Der Poesie der Erzählungen hat sich niemand entziehen können: „Die Märchen haben uns bei aller Welt bekannt gemacht", schreibt Wilhelm Grimm schon 1815 an seinen Bruder Jakob'), und heute ist das Buch in ungezählten Exemplaren verbreitet. Ein Abglanz dichterischen Ruhmes fällt auf die Herausgeber. Es war aber auch eine Art poetischer Tätigkeit, welche die Sammlung entstehen liess; denn obwohl die Geschichten meist getreu der Überlieferung nacherzählt wurden, und der Titel des Buches bescheiden nur von der Arbeit des Sammeins spricht, so besteht doch kein Zweifel, dass die Brüder Grimm in Stil und Ausdruck vielfach bessernd und ergänzend nachgeholfen haben. Das gestehen sie auch selbst ein: „Es ist natürlich", schreibt Wilhelm an Achim ') Briefwechsel zv\'. J. u. W. Grimm S. 4:75. Palaestra XLVII. von Arnim'), ,.(l;iss, wfjiiii wir etwas sell)st criipfuiKlcii, dioso Empfindung auch sinhtbiir worden muss und ihren besonderen Ausdruck lialx'n. Darum liab ich mir in den Worten, der Anordnung, in Gleichnissen und dergleichen gar keine Schwierigkeit gemacht und so gesprochen, wie icji in (h'in Augenl)lick lAist hatte." Aber er wusste auch, wi(! man ein ^lärclien zu erzähhin habe; wie rein hat er z. B. in einigen seiner Briefe an die Haxthausensche Familie den einfaclien Kinderton getroffen!-) Die Form der Er- zählungen geht also im wesentlichen auf die Brüder zurück, sei es, dass sie mündliche Überlieferung wiedererzählten oder älteren, schriftlichen Bearbeitungen die Gestalt gaben, die sie für die rechte hielten. Nur mit den litterariscbeii Quellen will und kann sich die nachfolgende Arbeit be- schäftigen: sie macht als ein Beitrag zur Stilgeschiehte des Grimmschen IMärchens auf dieUmbildungen aufmerksam. die ältere Vorlagen unter der Hand der Brüder Grimm bei der Aufnahme in die Sammlung erfuhren. Obwohl die Veränderungen fast nur äusserlicher Natur sind, und die Erzählungen in den meisten Fällen bloss durch schmückende Zusätze bereichert wurden, so lässt doch die Wiederkehr derselben stilistischen Umformungen deutlich erkennen, worauf es den Brüdern bei ihrer Dar- stellung ankam. Freilich wird das IMaterial nicht erschöpft, da die Märchen nach mündlicher Überlieferung für uns wegfallen, aber man kann schon aus der Betrachtung des kleineren Teils der Sammlung Rückschlüsse auf die Stili- sierung des Ganzen machen. Denn es ist ein eigentüm- licher Vorzug dieser Märchen, dass trotz der Verschieden- artigkeit der einzelnen Stücke die ganze Sammlung von einem gleichmässigen Vortrag beherrscht wird. Die Entstehungsgeschichte der Grimmschen ^lärchen versetzt uns in eine treibende, starke Zeit zurück; die schaffensfreudigenTagederjüngeren,Heidelberger Romantik ') Steig, Achim v. Arnim und die ihm nahe standen 111,207. - Freundesbriefe v. W. u. J. Grimm, S. 8 f. tauchen vor uns auf. Niclit mit Unrecht werden f,^erad(' „des Knaben Wunderhorn" und die „Kinder- und Haus- niärchen" als die charakteristischen Denkmi'Uer dieser Periode in einem Atem irenannt: die beiden Werke sind ^deichen oder doch ähnlichen Vei'hältnissen entsprungen, und ihre Verfasser standen auch persönlich in innigen Beziehungen zu einander. Im Wunderliorn liatte sich die begeisterte Liebt^ tür altdcHitsches Leben und Volkspoesie ein schönes Denkmal errichtet. Absterbende und zerstreute Jjlüten deutscher Volkslyi-ik wartMi hier, freilich manchmal künstlich zuri^chtgestutzt. in einem grossen Werke ver- einigt. Auch eine umfassende Zusammenstellung germa- nischer Altertümer wurde von Arnim geplant. Seine Er- klärung in Beckers Reichsanzeiger vom 17.' Dez. 1805 spricht unter anderm auch von „mündlich überlieferten Sagen und Märchen", die in der Sammlung Platz finden sollten'). Aber nicht alles kam zu stände, was er in Aussicht gestellt hatte: vorläufig galt es, das Wunderhorn zum Abschluss zu bringen. Während Brentano und Arnim an den weiteren Bänden tätig waren, rüsteten die Brüder Grimm in Casscl zu ihren späteren Publikationen. — In grösserem Umfange beginnt ihr Sanuueln und Aufzeichnen seit etwa 180(5. Ihre Schätze müssen rasch an Ausdehnung und Bedeutung gewonnen haben; Brentano, der 1807 in Cassel mit den Grimms zusammentraf, staunt über ihren Reichtum, den er für den 2. Teil des AVunderhorns zu benutzen gedenkt. Um diese Zeit ist zwischen den Brüdern und den Herausgebern des Wunderhorns auch über den Plan ver- handelt worden, ein öffentliches Organ für altdeutsche Poesie und Volkskunde zu schaffen-). Neujahr 1811 taucht der Gedanke von neuem auf. „Der altdeutsche Sammler", wie die Zeitschrift heissen sollte, war zur Aufnahme aller Sagen, Märchen, Lieder, Volksscherze usw. namentlich ij Steig-, Achim v. Arnim I, 150. ■■^) Steig, Zs. d. Vereins f. Volk.skunde 1902, 129 ff. 1* — 4 — iiiüiulliclicr l 'Ijt'iiiofVruii^' lif>tiiiiiiit. Als Herausgeber waren die Brikler (iriiniii ;_^(Mlael)t. Das L'nt<'rnehinen scheiterte ai)er an persönlichen Dift'erenz«;n. die sich bald zwischen .lakob Griinni und Brentano über die Art der Redaktion herausstellten. Während (liinuu stienerschlagen, ..und sich soj/ar freuen, darum noch etwas für die Zukunft zu l)ehalten" -j. Wir sehen: die erste Auflage hebt den Zweck der Sammlung als ein Kinderbuch noch weniger hervor. Der wissen- schaftliche und geschichtliche Wert der Erzählungen gilt den Brüdern noch ebensoviel wie die künstlerische Form, sie sind sogar geneigt, diese der Treue in der Ü'berlieferung aufzuopfern. Jakob spricht es unverhohlen aus. wie er die Sammlung beurteilt wissen wolle: ..Das Märchenbuch ist mir garnicht für Kinder geschrieben, aber es kommt ihnen recht erwünscht und das freut mich sehr, sondern ich hätte nicht mit Lust daran gearbeitet, wenn ich nicht (Jlaubens wäre, dass es den ernstesten und ältesten Leuten so gut wie mir für Poesie, Mythologie und Geschichte wichtig werden und erscheinen könnte" 'j. Trotz der ab- lehnenden Haltung, die hier Jakob gegenüber Arnims bessernden Vorschlägen zeigt, sind dessen Ausstellungen an dem Märchenbande für die 2. Ausgabe fast sämtlich l)erücksichtigt worden. AVilhelm. der die Redaktion der folgenden Auflagen übernahm, war geneigter, das Urteil der Freunde zu beachten. Uneingeschränktes Lob aber spendete der Sammlung Joseph Görres in Heidelberg. Ihn, der mit Enthusiasmus die Poesie der ..teutsclien Volks- ') Steig, Acliini v. Arnim III, 2()7. 2) Steig, Achim v. Arnim 111,271. S) Steig, Achim v. Arnim 111,271. — 17 — bücher" verkündiget hatte, mussten die schlichteuErzählungen aus dein Vulke besonders angonehni überrascben. Schon in der Ankündigung der Sammlung hatten die Brüder ver- sprochen, dass die Märchen ..ohne Schnüre und Goldborten als ein ordentliches Volksbuch" schlecht und recht ge- druckt werden sollten. „Meine Hoffnung ist", schreibt Wilhelm an Görres'), „dass das Buch, wo man es nur versucht, gleich seine Kraft bewähren wird." "Wie be- geistert es sogleich von der Kinderwelt aufgenommen wurde. dai'ül)er gibt die lobende Anerkennung von Görres-) und der Dankbriel' Bettinens '') an die Brüder reiche Aus- kunft. Seltsam kontrastiert damit Brentanos Mitteilung, dass es in Österreich verboten Mar, die Märchen nach- zudrucken, da sie wegen ihres „abergläubischen" Inhalts eine Gefahr für die Volksbildung bedeuten sollten"*). Auch von Büsching kam eine missgünstige Rezension, die den Grimms den Vorwurf machte, die Märchenwelt verdüstert zu haben"*). Das schärfste Verdammungsurteil sprach Heinrich Voss aus. Er stand wie sein Vater der ganzen Romantik feindlich gegenüber; darum kann seine böse Kritik nicht schwer ins Gewicht fallen. „Einige Märchen sind schön", schreibt er an seinen Freund Truchsess, ,,voll tiefen Sinnes und einfach und gut erzählt, die meisten aber sind wahrer Schund, oder wenn auch im Keim gesund, doch in der Form durchaus verwahrlost. Ich fordere auch hier das Ideal eines Erzählers, und findet sich der in Wirklichkeit nicht, so muss der Schriftsteller seinen Platz vertreten"**). Wie vor dem Schwulst der Lohensteinschen Periode wird vor der „affektierten Kindlichkeit" der Romantiker gewarnt. Die Brüder Grimm w-aren sich des Wertes ihrer Sammlung w^ohl bewusst. Dass die Form zuerst auffallen würde, verhehlten sie sich nicht: „Man wird es leicht •) am 31. Dez. 1812. ■-) Brief an Grimm vom 27. I. 1813. 3) Steig, Achim v. Arnim III, 265. *) Steig, Achim v. Arnim 111,302. ^) Steig, Achim v. Arnim III, 297. 6) Briefe v. Heinrich Voss an Christian v. Truchsess S. 87. Palaestra XLVII. 2 — IK — licincrkon", schrcihi \Villi(?liii an (iörros'), „dass os keine Hiirid«! f^earbcitet haben, die sich in poetischen, zierlichen Darstellungen geübt, dergleichen in unserer Zeit nicht selten sind: es ist im Oegenteil lieber jeder zarte, süsse und holde Ausdruck vermieden, der verweichlicht und verallgemeinert, und der Gedanke so viel als möglich an der Wurzel gefasst worden". Obwohl noch eine „ge- wisse Ungeschicktheit in ]»oetischen Arbeiten" -) darin walte, ist er überzeugt, dass wegen des reichen Inhalts kaum ein anderes Buch damit verglichen werden könne — Die Hoft'nungen, die sie auf die Ausgabe dt;r Märchen gesetzt hatten, erfüllten sich in reichstem Masse. Der 1. Band hatte trotz mancher .Mängel als ein gutes Muster einer Kindermärchensammlung Xacheiferung erweckt. Sie empfingen von anderer Seite reiche Beiträge, mehr als sie erwartet hatten, so dass der 2. Band bereits 1814 (mit der Jahreszahl 1815) erscheinen konnte. Die Arbeit daran lag wesentlich in Wilhelms Händen, da Jakob sich als Gesandtschaftssecretär in Prankreich befand. Neben ernsterer wissenschaftlicher Tätigkeit war dem Heraus- geber das Zusammenstellen der Märchen eine Erheiterung in den verschiedenen Stimmungen des Jahres^). Jakob begleitete die Fortschritte des Werkes mit Teilnahme und Freude"*). An Einlieitlichkeit der Stilisierung zeigt dieser Band vor dem ersten bereits einen bemerkenswerten Vorzug. Die schlichte, treu nacherzählende Art wurde beibehalten. Arnim übersah nicht die grössere Sicherheit in der Kunst der Erzählung: nur wünschte er noch ein stärkeres Hervortreten des Schriftstellers, damit manches Märchen einen befriedigenderen Abschluss finde •'^). In beiden Bänden war eine Reihe von Erzählungen schriftlichen Vorlagen entnommen: wir wenden uns im folgenden ihrer Betrachtung zu. M am 31. Dez. 1812. vgl. auch Steig, A. v. Arnim 111,252. -) Steig, A. V. Arnim III, 2G7. '^) Brief an Görres v. 30. I. 1815. ^) BrietV. zw. J. \i. W. (Irimm S. 2G6. ') Steig, A. V. Arnim 111,819. Die Vorlagen und ihre Bearbeitung. 1.6. Von der Xaclitigall und der Blindschleiche*). Es ist ein französisches Tiermärchen, das erzählt, wie Nachtigall und Blindschleiche ursprünglich nur je ein Auge hatten und zusammen lebten, l)is die Nachtigall von ihrer Freundin für eine Hochzeit das eine entlieh, es ihr aber nacldier nicht wieder zurückgab, und wie nun ewige Feind- schaft zwischen ihnen besteht. — Die Brüder Grimm ent- nahmen das ]\Iärchen dem 2. Bande der Memoires de TAcademie celtique (Paris 1808), wo es sich in der Ab- handlung: Traditions et usages de la Sologne-) par M. Legier nahezu vollständig vorfindet'). Es schliesst hier: „L'opinion des Solognots est que non loin du nid d'un rossignol, souvent sous Tarbuste oü il est, on peut chercher, on y trouvera certainement un anvot; j"ai cherche et n'ai rien trouv6". Im Deutschen steht anstatt dieser kritischen Bemerkung, die als solche den Ton der einfachen Märchen- erzählung verlässt, ein anderer Schluss, der die Geschichte besser abrundet, indem er die stete Feindschaft der beiden ehemaligen Freunde zum Ausdruck bringt: „und sie trachtet immer hinaufzukriechen, Löcher in die Eier ihrer Feindin zu bohren oder sie auszusaufen." Dies ist die wörtliche Übersetzung einer Anmerkung im 4. Bande der Memoires. Dort heisst es in einem Aufsatz über den Volksglauben in der Sologne und inBerri: „La fable druidique relative a l'anvot et au rossignol y (i. e. en Berri) est accredit^e 1) vgl. R. Kühler, Zs. d. Ver. f. Volkskunde T, 53 If. 2) In Mittelfrankreich, Departement Loire-Cher. 3) S. 204 f. 2* — 20 — commo ä Solo<l»uis ce Icmps I'anvot räche son existence Sous ](' nid de rinfri"it; attend daiis le silenco L'instanl de se venjjrer de Td-il qu'il a jjerdii, En niani;'eaiit Td-uf que le traitre a pDiulu.'' Eine Note zu ,, ringrat" crkiäi't: ..On dit (|u'il so trouve toujours un anvut sous le nid du rossignol et (|u"il m perce et niange les d'ufs." Die Übersetzung schliesst sich eng an den Iranzrisisclien Text an. Einige Eigentümlichkeiten des Stils fallen jedoch sofort ins Auge: Grimm legt Wert auf die Beseelung der Tierwelt. Wie in der Volkspoesie überhaupt — am aus- gedehntesten im Tierepos — werden menschliche Ver-. hältnisse auf die Tiere übertragen, und diese dadurch in die Menschenähnlichkeit erhoben. Die knappen An- deutungen der Vorlage sucht die Bearbeitung möglichst zu bereichern und dadurch das Ganze poetischer zu ge- stalten. Aus diesem Grunde erklären sich Ausdrücke wie: da „wohnf eine Blindschleiche (on trouvera un anvot) — Wie die Nachtigall nach Haus gekommen war (le rossignol de retour) — die Blindschleiche tat es ..aus Gefälligkeif' (I'anvot le lui preta). Der volkstümlichen Ausdrucksweise entspricht der synonyme Parallelismus in den Wendungen: Sie lebten "Xusammen in einem Haus ..in Frieden und Einigkeit" (ils vivaient dans une bonne intelligence) — sie wollte sich „an ihren Kindern und Kindeskindern" rächen (veuger sur sa prog6niture). Und ähnlich wird im folgenden durch die Wiederholung eine behagliche Breite zu Gunsten des volkstümlichen Stils vorgezogen: „Es gefiel ihr so wohl, 4.lass sie zwei Augen im Kopf trug und zu beiden Seiten . - -^1 - sehen konnte, dass sie der annoii Blindschleiche ihr ge- liehenes Aiig' nicht wieder zurückgeben wollte'' (le rossignol refusa de rendrc IVril, quMl lui avait pret6). — „Seit der Zeit haben alle Nachtigallen zwei Augen und alle Blind- schleichen keine Augen'' (et voila pourquoi l'anvot ne voit pas clair). — Die Stelle: „II pria Tanvot de lui prrter son (eil" lautet bei Grimm erweitert und der Umgangssprache angeähnelt: ..ich bin da auf eine Hochzeit gebeten und möchte nicht gern so mit einem Aug hingehen, sei doch so gut und leih mir deins dazu, ich bring dir's morgen wieder.'' Die Lautmalerei freilich in dem A'ers der singenden Nachtigall: „.)o ferai mon nid .si haut! si baut! si liaut! si ba.s! Que tu ne le trouveras pas," die an das: ..ziküth" in dem Märchen von Jorinde und Joringel (1. 69) anklingt, konnte im Deutschen nicht so glücklich nachgeahmt werden: „Ich bau mein Nest auf jene Linden, So hoch, so hoch, so hoch, so hoch; da nias'st du's nimmei-mehr finden." Dafür aber ist der Hinweis auf die Linde als den Baum der Volkspoesie als glücklicher Zusatz zu bezeichnen; der Eeim auf „finden" macht allerdings die Beifügung sehr leicht erklärlich. Einige dialektische Fassungen des Märchens') sind, wie R. Köhler zuerst ausgesprochen hat,-) nicht boden- ständig, sondern gehen unmittelbar auf die Grimmsche Übersetzung aus dem Französischen zurück. In Frank- reich lebt die Erzählung noch jetzt vielfach im Volks- munde fort.-') ') vpl. Fii-menich, Germaniens Vülkerstimmen I, 283. H. F W. Raabe, Allgem. plattdeutsches Volksbuch 1854, pag. 234. 2,^ a. a. O. S. 58. ^^ ibid. S. 55 f. 1,8. ])'](' Ilainl mit iloiii Messer. Das Märchen <(elit ursprünglich aiil ein schottisclics Kinder- oder Volksh'ed zurück, dessen Jnhalt die Schrift- stellerin Mrs. Anne (irant ol" Jjaggan (1755 — IH'.iH) in ihren Essays") niittf^ilt. Sie kannte das Lied aus mündlicher Überlieferung: ..One of tliese (stories)". sfhreiht sie. ..which I hav(! iieard chiidren at a very early age sing, and whicii is just to them the Babcs in tlie Wood, I can never forget. The affecting sinijjlicity of the tune, the stränge wild imagcry and the marks of reniote antiquity in the littlc narrative gave it the greatest interest to me. who delight in tracing back poetry to its infancy.'' Die nun folgende Inhaltsangabe bildete die Vorlage für das Grimmsche Märchen. Bei der Seltenheit des englischen Werkes mag es erlaubt sein, die betreffende Stelle hier einzurücken; sie wurde mir gütigst durch die Verwaltung der Bibliothek des British Museum übermittelt: „A little girl had been innocently beloved by a fairy, ^vho dwelt in a tomhan near her mother's habitation. She had three brothers who were the favourites of her mother. She herseif was treated harshly and tasked beyond her strencrth: Her employment was to go every mornin"- and cxit a cerlain qnanlity of turf froni drj' heathy ground for immediate fuel and this with some imcouth and primitive implement. — As she past the hilloclc, which contained her lover, he regularly put out his band with a A'ery sharp knife of such power, that it quickjy and readily cut through all impediments. She re- lurned chearfuUy and early with her load of turf; and as she ])ast by the hillock, she Struck on it twice and the fairy stret- ched out his band through the surface and received the knife. The mother, however, told the brothers, that her daughter must certainly have had some aid to perform the allotted task. They watcbed her, saw her receive the enchanted knife and forced it from her. The^' returned, Struck the hillock, as she was wont to do, and when the fairj' put out his band, they cut it off with his own knife. He drew in the bleeding arm in despair and supposing this cruelty was the result of treachery on the part of his beloved, never saw her more." 1) Essays on the superstitions of the highlanders of Scotland. London 1811. I, 285—8(3. — 23 — Die Bearbeitung folgt fast wörtlich der Vorlage: nur hin und wieder wurde ein Ausdruck in einer etwas volks- tümlicheren Färbung wiedergegeben, z. B.: .,Sie niusste ,tagtägliclr morgens früh ausgehen" (her employment was to go every morning). Der Znsatz : „ein altes und stumpfes Gerät, womit es die , sauere Arbeit' verrichten sollte", scheint nicht ohne Absicht beigefügt zu sein; Grimm liebt die volkstümliche Redensart: „es sich sauer w^erden lassen" und hat sie verschiedentlich variiert häufiger in den I\lärchon angewandt. OI)wohI nur die oben mitgeteilte liilialtsangabe des Liedes von Grimm benutzt w^urde, seien auch einige Strophen der Originalfassung hier angegeben, damit das Verhältnis der Prosaauflösung zum ursprüng- lichen Liede deutlich wird. Anne Grants Versuch der Übertragung des Textes ins Englische enthält die Worte des jungen Mädchens: „Ibeholdyonder the tonihan covered with rowan')and hoUy. Dear to me is the treasure which it contains. Sweet and deep was niv sluiaber On the bvink of the lake of niany salmon. I awoke. and lialf of jny bed reniained not. I see yonder the tonihan. etc. I .see my brothers afai' yonder Moiinted on sleek swift grey steeds: They ride, but my heart goes not with theni. I see yonder the tomhan, etc. I see the house of niy mother afar o(T; Not as it were a honse, but a place deserted. While .sweet slumber falls on others, Green flames shall encompass her feet. I see 3'onder the tomhan, etc." Schon diese Strophen lassen erkennen, dass das Ge- dicht viel breiter angelegt war, als die Grimmsche Vor- lage, die sehr straff zusammenfasst und nur die Hauptpunkte der Erzählung berührt. Vollständig ist das Lied auch in *j Rowan, tlie mountain Ash. — 24 — (Ici- englischen Fassunj.'^ nicht eriiahf-n. — Das Märfiifii wurde als iindeutsch in 'Iff 2. Aiiria;.'«' iiljerhaupt aus- g<,'Hehif'(Jt;ii. 1. 2<-). \'oii ei Fl ••III tiiidcin Sclini'ider. Das weitverbreitete 'j Milrchen vom tapferen Schneider- lein steht in der 1. Aullage in 2 Fassungen unverl)unden nebeneinander. Die erste stammt aus Martin Montanus (Wegkürzer, cap. ö) und wurde wörtlich daraus abgedruckt. Auch der Druckl'ehler in der Vorlage: „das ihm so sehr grossen Schaden an Fisch (= Vieh) und Leut thef. ging unverbessert in die Bearbeitung iilter. Die zweite Rezension, ein Fragment, erzählt nach einer mündlichen Überlieferung aus Hessen. Diese hat einen anschaulicheren Eingang, berichtet ausführlich, wie der Schneider sich von der Bauerfrau das ]\lus erhandelt und 29 Fliegen auf einen Streich erlegt. Er näht sich dann den Gürtel mit der prahlerischen Aufschrift, zieht in die Welt und erlebt die Abenteuer mit dem Riesen. Mit der Kraftprobe an dem Kirschbaum, an dem der Riese und der Schneider ihre Stärke messen, endigt die Geschichte. Bei Montanus, der wahrscheinlich aus mündlicher Über- lieferung schöpfte-), ist dieser Teil viel kürzer. In einer Stadt Romandia, erzählt er, habe ein Schneider 7 Fliegen auf einem Apfel erschlagen und sei. nachdem er die Helden- tat auf den Harnisch geschrieben, an des Königs Hof ge- zogen. Im folgenden wird nun das Leben des Schneiders in königlichen Diensten mit grosser Ausführlichkeit ge- schildert. Erst in der 2. Auflage wurde das Märchen umge- schrieben und ergänzt (s. u.), ohne jedoch den ursprüng- lichen Charakter und die Geschlossenheit der Darstellung zu verlieren. Wie willkürlich war dem gegenüber Brentanos Verfahren! Sein Märchen vom Schneider Siebentot ist in >) vgl. ausser Grimm III.^ 29 R. Kühler, Kleinere Schriften I, 563 f. 2) Vgl. Montanus, Schwankbücher ed. Bolte S. XVI. liuntcr Oi'diiuiii:- mit der Erzählung' vom Däumcliori ver- knüpft. Lächerliche Bezeichnungen, scherzhafte Lied<'r und Aii«:riffe auf Juden und Schneider machen das Ganze zu einem hiunigen Gemisch halb märchenhafter, halb satirischer Dichtung. I. 22. Wie Kinder Schi achtens mit einander gespielt haben. Die uralte Sage „von einem Kinde, das kindlicher Weise ein anderes Kind umbringt" entnahmen die Brüder H. von Kleists Berliner Abendblättern, wo es in Nr. 38 vom 1:3. November 1810 abgedruckt war. Der anonyme Einsender war Achim von Arnim '), der die Erzählung „aus einem alten Buche", nämlich aus Georg Wickrams Rolhvagenbüchlein-) mit ganz geringen sprachlichen Mo- dernisierungen zum Abdruck brachte. Die Veranlassung dazu gab offenbar Zacharias Werners 1809 gedichtetes Trauerspiel: Der 24. Februar. Arnim verweist in seiner Zuschrift, die eine Aufführung des Dramas in Berlin an- regen wollte, auf das ähnliche Motiv, das in Werners Spiel zu Grunde liege: ein wichtiger Teil der Vorgeschichte des Stücks ist mit Anlehnung an eine ähnliche Mord- geschichte gedichtet worden.'') Der kleine Kurt Kurutli hat in kindlicher Xaivetät seine Schwester im Spiel ge- schlachtet, nachdem er die Mutter hatte ein Huhn ab- stechen sehen. Wahrscheinlich schwebte Werner hierbei eine mündliche Überheferung der weitverbreiteten Sage vor. — Einen ergiebigen Gebrauch davon machte später Arnim im 2. Teil der Kronenwächter.'*) Er gestaltete die Erzählung romanhaft aus und spitzte sie ähnlich wie Werner zu einem Geschwistermorde zu. Oswald, das nachgebliebene Söhnchen Bertholds, wird von dem Sohne Antons, seinem Stiefbruder, unter gleichen Umständen, •) R. Steig, H. V. Kleists Berliner Käm[)fe S. 202. 2) Georg- Wickrani, Werke III, S. 97 f. ^) vgl. E. Schmidt, Vierteljahrschr. f. Litterat. -Gesch. I, .')0;{. ■») Steig, H. V. Kleists Berliner Kämpfe S. 203. — 26 — wie die S;i;4f ci/iililt. im Spii-l liiii<((iiiior(l<'t : (lt;i- .Müidt-r trinkt i\ns lilul sciiK^s Ojjlcrs. HirH'iii< eine f(olir;inini.ssvollc Macht drs Jjhiles dUt i.'-ruusi;,^) Tat veranlasst habe. Ji(-rt- hohls ../.weites Jycheir". (IcmOswahl entstammte, war erst (hurh eine künstliche, von \)v. l-'anst vor^'enonimi(^ in i'iiifaclK.T SpraclH- {^elialtorif liio^rrapliif des IVommrii Mannes ci-inneil ziiufilcii sclltst dui'cli ilir wniidrrhai-«' iMitwickclnuK ,|,.i- \',i-iri-\)i-\\\u>\U']i an oinc niäcclienliaitc Krzähliin;;. \\>n .Jii^'fnd auf mit dein Leben des Volkes vertraut, iiatte JStilliii;^ für N'olkspoesie lebhaftes Interesse: mit ^'rossem Geschick wei.ss er die Märchen in den X'erlauf der Lebeiisbeschreibnn;(licli koiintt' jetzt ••in«- \'<;i'\viin.scliun^'' naelifolgen. Wie Ix'ieclitigt alx'i' die liiiidi r (iiiiuiii zu ilii«'i- Hypothese waren, wii-d durch dm Zusatz dei- 2. Authige hestätigt: hier verweisen sie auf lleimieh von Kleists Hettt.dwcib von Locarno, nvo das Märchen in alh-n Teilen vertieft und ins (Jespensterliaft- furchtbare veigrössert worden ist. Viel- h'icht geht Kleists Novelle el>enfalls auf Stilling zurück'), doch kann es sich hierbei nur um eine Anregung handeln. Die Grimmsche Bemerkung, dass die vortragende Amme oder Mutter den zuhörenden Kindern vielleicht auch den Gang der krummen, gebückten Alten mit dem Stock in der wackelnden Hand vormacht, stützt sich auf die Darstellung in ihrer Vorlage. — An dem eigentlichen Märchen haben die Brüder nichts geändert; nur die verschiedenen Zwischen- bemerkungen und Fragen, die bei Stilling durch die Eiu- llechtung des Märchens in den Zusammenhang des Romans nötig geworden wareii, Helen fort. 1.32. Der gescheite Hans. An die aus mündlicher Überlieferung (Maingegenden) geschöpfte Erzählung vom gescheiten Hans reiht die 1. Auflage eine Parallele aus J. Freys Gartengesellschaft, Kap. T, an. Bebeis Schwank: De fatuo rustico (Opus- cula 1514) bildet den Ausgangspunkt. Freys Übersetzung schliesst sich eng der lateinischen Vorlage an, die Grimmsche Bearbeitung ist der wörtliche Abdruck aus der Garten- gesellschaft. — Die Streiche des dummen Hans sind hier in reicher Vollständigkeit beisammen. Er besudelt die von der Braut geschenkten Handschuhe, erwürgt den Habicht, trägt die Egge auf den Händen und lässt den Speck vom Pferde heimschleifen, will dann zu Hause den ') Steig, Kleists Berliner Kämpfe S. 524. — 33 — verschütteten Wein mit Mflil auftrocknen, tötet die schreiende Gans, die ihn seiner Meinung nach veiraten ■will, setzt sich nun mit Honit,^ beschmiert auf ihre Eier, um sie auszubrüten, und wirft dann nach Eulenspiegels Art seiner Hraut ausgestochene Schafaugen ins Gesicht. Jede seiner Albernheiten hat in dernn'ttelalterlichenSchwank- litteratur die mannigfaltigsten Variationen. ') In Grinnns Sammlung steht es nur in der 1. Auflage; es wurde nach- her wegen der altertümlichen Sprache in die Anmerkungen aufgenommen. — Dass der Grimmsche Ausdruck: „Loffel- bitz" auf einem Lesefehler beruht: „und trug sie wie ein anderer Löffel bis heim", ist bereits von Bolte bemerkt worden'). 1,82. Die drei Schwestern. Zu Grunde liegt die Chronika der drei Schwestern von ]\Iusäus. Der Inhalt des Märchens ist kurz folgender: Ein Graf verprasst sein Gut und verkauft, um sein Leben zu erhalten, seine drei Töchter Wulfhild. Adelheid und Bertlia an einen Bären, einen Aar und einen Delphin, drei verzauberte Prinzen. Diese sind gut und schön in Menschen- gestalt, die jeder nach einer bestimmten Frist (7 Tagen — 7 Wochen — 7 Monaten) einmal annehmen kann; wenn sie aber wieder Tiere geworden sind, darf ihnen kein Mensch ungestraft nahen. Ein spätgeborener Sohn des Grafen, ßeinald, macht sich auf, um die Schwestern zu suchen und zu erlösen. Jeder Schwager ist eine Gefahr für ihn; verw^andelt aber nehmen sie ihn gastfreundlich auf, und jeder schenkt ihm beim Abschied ein Mittel, womit Reinald die Entfernten zu Hilfe rufen könne, wenn er sich in Not betinde; der Bär drei Haare, der Adler drei Federn und der Delphin drei Schuppen. Er macht von diesen Geschenken in Lebensgefahr Gebrauch; es gelingt ilnn, den Zauberer Zornebock, einen Sorbenfürsten, zu erschlagen, und damit wird nicht nur den verwandelten Pi'inzen ihre rechte Ge- 1) Aumerkung zu Frey, Gartenges. Kap. I. Palaestra XLVII. — 34 — stillt wifdergegebeii, sondern noch dazu eine schöne Prin- zessin, Jlihlcgard, die Tochter Radhods von Pommern, aus der Gefangenschaft des Zaub(Ters erlöst und von Reinald heinig(;fiihrt. Die J)arstellung bei Musäus weist die Vorzüge und Mängel seiner sonstigen Schreibweise auf. Dc.-n knappen Inhalt hat er sehr reich ausgestattet und mit (l(;ii Arabesken seines Witzes umrankt. Freilicii hat dadurch die Erzäiilung den märchenhaften Charakter beinahe verloren, und nur selten hört man die sclilichte Volkssprache. Die Schilderung ist im einzelnen sehr ausfühilicii und die ßcschreibung der Situationen breit angelegt. Vor allem drängt sich das komische Element hervor. Nicht ohne ein wenig Frivo- lität wird erzählt, dass bei der alternden Grätin der Segen des frommen Eremiten in der Klause so wirksam war, dass die Geburt Iveinalds bald erfolgte, und als dieser später vor der schlafenden Jungfrau im Banne ihrer Schön- heit ohne sich zu regen dasteht, bemerkt der Erzähler ironisch, dass das erleuchtete, über die Xaivetät der Märchenwelt weit erhabene 18. Jahrhundert dergleichen Situationen ganz anders benutzt hätte. Treuherzige, ein- fache Darstellung wechselt mit satirischen Auslassungen über menschliche Zustände und Sitten: der verzauberte Prinz steht auch als Bär „unter dem Pantoö'el seiner Dame'% verallgemeinernd wird bisweilen der leichtfertige Charakter der Frauen angegriffen. Ehrwürdige Gestalten macht er gern durch Zusätze lächerlich: Graf und Grätin sind bei ihm „Papa" und „Mama", der verzauberte Prinz „Signor Albert". Es fehlt nicht an spöttischen Anspielungen auf die Zeitgeschichte: „Zephyre" wehen „bei einer empfind- samen Abendpromenade". Wenn vom Delphin gesagt wird, er habe so viel „physiognomisches Gefühl" besessen, Unheil zu wittern, so deutet der Verfasser der „Physiognomischen Eeisen" auf Lavaters Bemühungen hin. „Die Morgenröthe philanthropistischer Methode" spielt auf Basedow an, und wenn Bertha „glänzt wie der Silbermond den empfindsamen Wanderern in der Sommernacht", hören wir deutlich die bekannte Klopstocksche Ode anklingen. ..Freund Hain" — 35 — darf natürlich in dieser Umgebung nicht rchh'ii. Ferner liegen die Hinweise auf die Siel)enschläi"er und einige un- bekannte Namen. Störend wirkt die Menge der Fremd- w()rter, die bisweilen gleichfalls zu komischen Effekten be- nutzt werden: „veramort", „ein unbefangenes Air zu affektieren". Vor allem aber treten sie bei der Schilderung des gesellschaftlichen Lebens stark hervor. Hier ist der ganze Zuschnitt modern-französisch; Worte wie: Livree, Juwelen, Dublonen, Toilette, Carosse, Cavalcade, Agraffe, credenzen. Bai par6, Plafond, Bankett, Feten usw. um- schwirren das Ohr. Wie wenig er die Vorstellung des Märchenzeitalters erwecken will, ergibt sich auch daraus, dass Bertha „im reizenden Morgennegiigee ihre Chocolade'" trinkt, wie das vornehme Fräulein des 18. Jahrhunderts. Modern berührt schon die willkürliche Benennung der Personen: Adelheid hat ihren Namen mit bewusster An- lehnung an ihren Gemahl, den Adler, erhalten. Zum Schluss lässt er die drei verzauberten Prinzen Gründer von Keichen und Städten werden: Albrecht der Bär gründet Bernburg in der Herrschaft Askanien, Edgar der Aar die Stadt Aarburg in der Schweiz, Ufo der Delphin bemächtigt sich im Burgunderreich des nach ihm benannten Delphinats. Das Symbol ihrer Wappen erinnert an ihren früheren, ver- zauberten Zustand. In der Grimmschen Bearbeitung ist nur der Gedanken- gang der Musäusschen Erzählung beibehalten; alle Aus- führungen im einzelnen fehlen, die Brüder begnügen sich mit einem Auszug. Die Schlussepisode vom Zauberer Zornebock wurde von ihnen mit Unrecht für eine Erfindung des Musäus gehalten und fortgelassen; sie gehört indessen notwendig zur Entwickelung des Ganzen und bringt die Geschichte Reinaids zu gefälligem Abschluss. Auch in den drei Tierbrüdern (Li tre Rri Anemale), einem Märchen vonBasile, Pentam. IV, B löst der Bruder der Prinzessinnen, Tittone, den Zauber dadurch, dass er eine Königstochter von einem Drachen befreit; beide Märchen stinunen auch im übrigen zusammen. Die verzauberten Fürsten sind hiei' 8* — :?«; — i'iii Hirsch, ein Kalke und ein Df'l|)liin, luid rauhen ihre Bräute duich Nc^iheeruii«^ des Landes. Es ist aher l'raglicb, ol) Musäus (h'ii Pentaiiierone henutzt hat: wahrscheinlich stützte er sicli auf ältere volkstündiciie Üljcrlieferungen. Von den Namen bliei) in der I3earheitun«< nur Reinald, der den Griiilins am meisten volkstündich erschien; aus glciclieni U runde einige ronneihalte Wendungeji wie: „So gings über Stock und Stein, Berg auf, Berg ah. durch Wüsten und Wälder, Horst und Hecke, ohne liuh und Rast". Hinzugefügt wurden die Keinnvorte: ,.da lag ein Centner Gold darin und gjinuneite und llimmerte" — „da lebte er in Saus und Braus". Edgars Ruf an die Jiraut: „Ich sehe dich, ich suche dich, fein Liebchen, ach. verbirg dich nicht. Rasch schwing dich hinter mich aufs Ross, du schöne Adlerbraut I" zeigt auch bei Musäus rhythmische Gliederung gemäss der „Lenore"; bei Grimm lautet er einfacher und gereimt: „Schwing dich auf, schwing dich auf, du Fräulein traut, komm mit, du schöne Adlerbraut". Ebenso reimt Grimm: Ade, du Fräulein traut, Fahr hin du Bärenbraut! (Ade mein Töchterlein, fahr hin, du Bären- braut), fügt auch des Parallehsmus wegen beim Raub der dritten Tochter den Vers ein: ,,A(le, du Fräulein traut, Faln- hin. du AValfisclibraut!" der bei Musäus nicht angedeutet war. An den Schluss setzt Grimm einen lustigen Kinder- reim: „Da war Freude und Lust in allen Ecken, und die Katz läuft nach Haus, mein Märchen ist aus". Er er- innert an den Ausgang des Märchens von Hansel und Gretel (15): „Mein Märchen ist aus, dort läuft eine Maus, und wer sie fängt, darf sich eine grosse, grosse Pelzkappe daraus machen'". Die wenigen schmückenden Zusätze, die Grimm dem Auszug l)eifügt, haben der Darstellung die lebendige Frische und Anschaulichkeit, die uns in der Vorlage trotz mancher unUebsamen Eigentümlichkeiten ihres Stils anmutig berührt, nicht verleihen können. Aber es ist nach Ausscheidung — 37 — aller satirisclicii und witzi^'on Anspiolungen einfach und «chliclit. und als Kinderniärclien der Musäusschon Fassunj? vorzuziehen; das Interesse beschränkt sich allein auf die Cieschichte des Grafen und seiner drei Töchter. Die aus- führliche Darstellung- ist auf ein Fünftel zusanunengezogen. und der kunstvolle Periodenl)au der Vorlage in kurze Sätze aufgelöst. Wenn man auch nicht soweit gehen wird wie Heinrich Voss, der die Grimmsche Bearbeitung im Ver- hältnis zu Musäus mit einem Skelet gegenüber dem Danneckerschen Schiller verglich '), so hat doch unzweifel- haft die Erzählung trotz der Mannigfaltigkeit des Inhalts etwas Eintöniges und Nüchternes. Jakob selbst bezeichnete es als das schlechteste Märchen der ganzen Sammlung, da ihm der frische Klang der mündlichen Erzählung mangle -j. 11.24. Der Jud" im Dorn. Das Grimmsche Märchen ist in der Hauptsache eine Bearbeitung des dramatischen Spiels, betitelt: „Historia von einem Bawrenknecht und Mönchen, welcher in der Dorn- hecke hat müssen tanzen", von Albrecht Dietrich 1618. Die Erzählung liegt jedoch schon in einigen früheren Auf- zeichnungen vor. Den Ausgangspunkt für die verschiedenen Darstellungen bietet 1. ein englisches, anon3'mes Gedicht: „The Friar and the Boy" nach einer Cambridger Hand- schrift des 15. Jahrhunderts (gedruckt vor 1535), und 2. eine deutsche Erzählung in dramatischer Form von Dietrich Albrecht: „Eine kurzweilige Historia, welche sich zuge- tragen mit einem Bawrenknecht und einem Mönche etc." Anno 1599^). Über das Abhängigkeitsverhältnis der beiden Gedichte lässt sich nichts Bestimmtes ausmachen, doch spricht die Wahrschein hchkeit dafür, dass die deutsche Fassang an das enghsche Original oder an dessen 152S gedruckte niederländische Übersetzung angelehnt ist. Die ») Briefe an Truchsess S. 42. ~) Steig, A. V. Arnim 111,255. — W. Grimm, s. u. l^eilagen. 3) Bolte, Festschrift zur Begrüssung d. 5. Neuphilol.-Tag<- 1892 S. 1 ff., wo sich auch der Abdruck befindet. — :is — (itii|)|)('. die (las enj^lischo GoiJicIit eröffnot, erzählt von (If'iii kiriiicn Jack, dci' von seiner StiolmuttfT scbleclit lie- liaiidelt wird. Mit Hilfe eines alten Mannes, der ihm drei Wiinscjie «gewählt, weiss er sieh aber an ihr zu rächen. Wi(! die erzürnte Alte ihm d<'n .Miinch Tobias nachsendet, um ihn zu bestrafen, muss sieh dieser von den Dornen zerkratzen lassen. Ein Nachspiel vor Gericht endigt zu Uunsten des Angeklagten. — Die deutschen Bearbeitungen weichen nur in Nebendingen ab. Das ältere jjeimspiel von 1599 hat mit Albrecht Dietrichs dramatischer Fassung (1618) ungefähr gleichen Inhalt, auch formal stinniien beide überein, nur ist letztere, die Grimmsche Vorlage, etwas roher und polternder im Ton. Der töl])elhafte Knecht Dulla wird von dem Nachbar seines IJrotherrn. namens „Säumagen", aufgestachelt, seinen Dienst zu verlassen. p]r gibt dessen Reden schliesslich Gehör, fordert seinen Lohn, .und der geizige Bauer zahlt ihm für drei Jahre Dienst drei Pfennige. Aus Freude darüber singt Dulla ein Dank- lied. Er begegnet einem Geist, dem er auf dessen Bitte seine Barschaft übergibt; als Gegengeschenk erhält er drei Wünsche gewährt. Das Folgende entspricht der Grimmschen Bearbeitung, nur tritt hier statt des Mönchs ein Jude auf. Jakob Ayrers Fastnachtspiel von Fritz Dölla mit der gewünschten Geigen') hat manches mit Dietrichs Reim- spiel gemeinsam. Wahrscheinlich kannte Ayrer. der bereits 1605 starb, eine ältere Fassung des Stücks, da er doch wieder von Albrechts Spiel 1599 in Einzelheiten stärker abweicht. Für das Grimmsche i\lärchen kommt seine Dar- stellung nicht in Betracht, dagegen wurde die Verwandlung des Mönchs in einen Juden nach einer mündlichen pader- Ijörnischen tiberlieferung vorgenommen. Auf diese wird auch die einfachere Entwickelung am Anfang zurückgehen. Der Nachbar, der den Knecht zum Verlassen des Dienstes antreibt, fehlt; der Geist wurde in ein kleines Männchen verwandelt, das auch sonst in den ]\lärchen als Ver- i) Opus theatricum Bl. 97 ff. Keller S. 2829 H'. — 39 — kiirperun«' eines liültVeichen Wesens erscheint. — Die beiden ersten Auflagen bringen das Märchen nahezu in derselben Gestalt. Die Darstellung zeigt nur wenige be- sonders charakteristische Züge. Vereinzelt finden sich in den schlichten Sätzen formelhafte Verbindungen wie: ,.er wanderte fröhlich über Berg und Tal;" „wie er auf ein Feld kam. singend und springend." Volkstümlich ist auch die Wiederholung in dem Satze: ,,ol)endrauf sass eine kleine Lerche und sang und sang", ebenso die Art, be- liebte Personen durch das anteilnehmende Pronomen possessivum auszuzeichnen: ]\rein Knecht aber dünkte sich noch zehnmal froher — Wie mein Knecht das viele Geld sah — der Pichter verurteilte meinen Knecht zum Tode am Galgen. Der Monolog steht einmal mit dem volks- tü milchen Personenwechsel'): der Knecht dachte, was willst du dir"s Jänger sauer werden lassen, du kannst dich nun pÜegen. . . . Erst die dritte Auflage änderte das ]\lärchen wesentlich um. Es wurde namentlich durch volks- tümliche Ausdrücke und sprichwörtliche Redensarten be- reichert, z. B.: der Knecht ist stets willig, wenn es „eine sauere Arbeit" gibt; sein Herr meint, er würde ,.hübsch" im Dienst bleil)en. aber er will fort. ,.um sich weiter in der Welt umzusehen". Er glaubt mit drei Pfennigen ..vollauf in der Tasche zu haben" und gibt auf die Frage des Männleins, wieviel er besitze, die stolze Antwort: „Drei bare Heller, richtig gezählt!" (1. Aufl.: Drei ganzer Pfennig). Deutlich treten die folgenden aus dem Zusammen- hang heraus: „Du bist einer, der blau pfeifen kann: wer ihm doch iSalz auf den Schwanz streuen könnte; ich will dich jagen, dass du die Schuhsohlen verlieren sollst; du Lump steck einen Groschen ins Maul, dass du sechs Heller wert bist; ein Stein auf dem Erdboden möchte sich er- barmen; Gott bewahre, er greift die Lügen wie Fliegen an der Wand. Das muss ich dir sagen, du machst deinen Tanz noch mit, dass es eine Art hat." Statt: „er ') vgl. hierüber J. Grimms Aufsatz: Über den Personen- wechsel in der Rede (Kl. Schriften III). — 40 — fragte ihn scimT J7iisli;.'k*'it \v<'j,'f'ri" (1. u. 2. Aiitl.i. lu-isst ü« jetzt mit nczii'liiiii;^" auf das lH-kaiiiit<; .Märchen »81): „Wo hinaus, Üiiider Lusti^^?" Mit h(,*ss(;rer Allitteration, zu- gleich archaisicirnd. zeigt sich der Auhdi'uck: „ting alh'S an zu wabern und zu wanken" ((hi wankte alles und be- wegte sich). Auch die Verbindung: „du bist jung und kannst dir dein Brot leicht verdienen", hat wegen des prägnanten Gebrauchs der Redensart: „sich sein Brot verdienen'' volkstinnlichen Klang. Der naiven Kinder- sprache gehört an, wenn Grimm schreibt: „Das Männleiii griff in den Busch und denk einer! da lag schon Fidel und Vogelrohr in Bereitschaft, als wenn sie bestellt wären.'' Die ältere Bearbeitung verzichtet darauf, die Überraschung vorzubereiten (das ]\Iännchen stellte ihm Fidel und Vogel- rohr zu). Der Jude bricht in die Aposiopese aus: „Mein! lasst den Bub weg! — Mein! was soll mir das Geigen!'' Überhaupt tritt dieser durch seine Sprache deutlich aus Seiner Umgebung heraus. Nicht nur die mehrmahgen Ausrufe: „Au weih geschrieen!'' sondern auch die dem Jüdisch-Deutschen eigentümliche Inversion der Rede: „Au weih geschrieen! geh ich doch dem Herrn, was er ver- langt, wenn er nur das Geigen lässt, einen ganzen Beutel mit Gold", charakterisieren ihn als Israehten vortrefflich. Und ebenso der Ausruf: .jGottes Wunder! So ein kleines Tier hat eine so .grausam mächtige' Stimme". Trotz seines Übeln Geschicks spielt er eine komische Rolle. Auf die Mahnung des Knechts: „Geh Spitzbub und hol dir den Vogel heraus", macht er sogleich den Wortwitz: ..Mein! lasst den Bub weg, so kommt der Hund (Spitz) gelaufen." Berechnet ist der Zug, dass dem Juden ein Woit in den Mund gelegt wird, das ihn als geizigen Geldmenschen hinstellt: „Du Lump, steck dir einen Groschen ins Maul, dass du sechs Heller wert bist!" Überhaupt wird nach- drücklich der Wert des Geldes für den Juden hervor- gehoben: „der Leib zerstochen und zerkratzt. Das Gold mit dem Beutel genommen (wofür die G. Autl. die noch treffendere, volkstümliche Ironie setzt: mein Bisschen Ar- — 41 — iiiiit mir g-enoininen), lauter Dukaten, ein Stück schönei- als (las andere, um (iottes Willen, lasst den Menschen ins Gefäno;nis setzen." Seine Wutausbrüclie sind volks- tünilicli-derb: ..Du Uiertiedlorl Du ]>ärenliäuter! Du iJundeniusikant !" In der Form, wie die :5. Autlage uns das Märchen bietet, hat das Ganze einen übermüti<:-eren, scherzhafteren Ton. Statt der Wendun^i': „Die; Leute hast du genuäj; ge- schunden, so geschieht dir kein Unrecht", lieisst es jetzt witziger: Du hast die Leute genug geschunden, nun soll dir"s die Dornhecke nicht besser machen*', wo das Wort „schinden" einmal im übertragenen, dann im eigentlichen Sinne gebraucht ist. Auch der Ausdruck: „Die Dornen „känmiten" ihm den Ziegenbart" wirkt durch die Ver- bindung der Gegensätze humoristisch, l'nd als der Knecht behauptet, der Jude habe ihm das Geld freiwillig gegeben, findet er keinen Glauben: sogar der Richter ist anderer Ansicht und meint ironisch: „Das ist eine schlechte Ent- schuldigung! das tut kein Jude". Durch Einflechtung der erw^ähnten Zusätze hatte das Märchen schon sehr gewonnen. Was sonst noch angebracht wurde, um die Anschaulichkeit zu heben, ist geringfügig. Im Eingang wird deutlicher gezeigt, wie sich der einfältige Knecht von Jahr zu Jahr hinhalten lässt, im Dienst zu bleiben. Bestimmter wird der Jude auch in seinem Äussern umschriehen: ein Jude „mit einem langen Ziegenbart", „mit einem schäbigen Rock" bekleidet. Die Schilderung des Tanzes auf dem Richtplatz geht mehr ins Einzelne und führt vor allem den kindlichen Zug an, dass sogar „die Hunde sich auf die Hinterfüsse setzen'' und am Tanze teilnehmen. Der abstrus-gelehrte Johann Praetorius, der durch seine Schriften auch für die deutschen Sagen der Brüder Grimm eine wichtige Fundgrube bildete, erzählt in einem recht trockenen und hölzernen Stil das Märchen von den Kindern in Hungersnot (II, 57) '). Bei ihm ist die sagen- ') Abenteuerlicher Glückstopf S. 191 1'. — 42 — liafto (jesfliiclitf. di«' ri miiiKlIicIicr Llx-rii'li'riiiiL' verdankt, an don Ort Ciriilclitz hei K;r''i' anf/fknüplt. Der Inhalt ist kurz loli^ciidcr: Kinc Mnttci' kann sich mit ihrfii ht'ich^n Töchtern nicht nicjir voi- (h'in IIun;_'cM(>d»' retten, zwei Versuche der hei(h'n Mädchen, sich hei iiiihltäti;rcn J^cuten etwas J'jiot zu verschallen, können nicht die Not dc-r Zu- kunft ahwchren, sie lallen mit ihrer .Mutter in einen tiefen Schlaf, und die Alte, die in der Verzweiflun;.^ schon Hand an ihre Töchter legen wollte, verschwindet auf Ninuner- wicdcrsehen. Oh dies eine ..Geschichte oder ein Gedichte sei", sagt Praetorius unsicher, „lasse ich dahingestellt". Unter den geringen stilistischen Änderungen, die die Brüder vornalimeii. um die KrziihhiiiL'' liesser abzurunden, ist der Parallelismus in den Antwoiten der Töchter be- merkenswert. Beide entgegnen auf das grausige Ansinnen der Mutter regelmässig: „Ach, liebe Mutter, schont meiner, ich will ausgehen'' usw. p]i)enso wiederholt Grimm im Gegensatz zur Vorlage au geeigneter Stelle: „da assen sie mit einander, es war aber zu wenig, um den Hunger zu stillen". Ein Vorzug ist auch der Gebrauch der Figura ctjmologica: „Da legten sie sicli hin und schliefen einen tiefen Schlaf". Die dürftige Erzählung wurde in der 2. Ausgabe gestrichen '). ') Als Beispiel der oft i)e(lantischen und verschrubenen Art, wie Praetorius volkstümliche Überlieferungen wiedererzählt, sei hier seine Fassung des Märchens von den „drei Spinnerinnen" (KHM. 14) angeführt (Abent. Glückstopf S. 403 f.). Höret wunder! Vor Zeilen soll eine Frau oder Mutter ge- wesen seyn, dessen Tocliter sich durchauss zum Spinnen nicht verstehen wollen, i'orsan quia Lilia non nent, secunduni P2van- gelium Symboliim Reipubl. Anglianao: Da sie auch dergleichen Susannae immer oder gerne sein wollen. Druem hatte sie von ihrer Mutter viel Schläge bekommen; welches einsmals ein Cavallier verwunderns halben doch ohngefähr mit angesehen und gefraget, was das bedeuten solle, dass sie ihre schöne Tochter so marterte (Xemlich weil sie von der Frauen vielgeliebten marlyris, das ist dem Flachse, Vide ex Biccij herbario in fine centur. 3. Acerr. Kfilol. Laurenberg: nicht viel gehalten: per quod quis peccat etc. — 43 -- Aus „Schimpf und Ernst", dor i\nek(lotcnsaiiHnluiii( dos elsässisc-hen Franziskaners Joh. Pauli (1522) entstaninion die beiden Märchen: Der undankbare Sohn (11,59) und: R. contrariuni: Sie koute das unmässiK"e Tliirr nicht vom Spinnun bring'oii, so verpiehtet wehre es (Iraiilt und sj)ünno molir Flachs auff, als sie erlanji'en könle. (Sehet solch niendaciuni officiosum hat notwendig' die jTulo Mutter machen müssen, damit sie ihre eigene Schande nicht entdeckclon; welche da alle am grossesten gewesen solchem Menschen, dci' nicht gesponnen lial.) \Vas ge- schieht? Dor Cavaliicr saget, das ist ja gut; Gehet sie mir nur zum Weibe ich will gar wohl mit ihrem unverdrossenen und un- aufhiirlichen Fleisse zufrieden und vergnüget seyn, ob sie sonslen gleich nichts zu mir bringet. Nun die Mutter kan dem Menschen seine eingelegte Bitte nicht abschlagen oder die begehrte Tochter versagen: Gibt ihm derentwegen das faule Muster. Drauff sie der Bräutigam mit ihm und zum Versuche ein zimlith pensum oder knocken Flach.s zu verspinnen auffgiebt. Drüber sie zwar innerlich erschrickt, doch hat sie es angenommen und für die lange "Weile in ihr Zimmer getragen und in Verzweiffhing nieder- geworfien. Drüber waren aber (etwan tres furiae seu larvae in- fernales) drei Weiber vors Fenster gekommen; eine mit einem grossen breiten Arse, damit sie kaum zur Stuben Thüre hernach herein zu kommen vermögt; die andere mit einem gro.ssen Damp/f- horne, einem Rhinoceroti nicht unehnlich, die dritte mit einem grossen, breiten Daume; solche bieten ihre Dienste dar; sagende dass sie alle Tage iinvermerkt kommen weiten, und das auffge- gebene Werk auff.spinnen, sofern sie (die faule Braut) an ihrem künftigen Hochzeitstage sagen wolte, dass sie ihre Basen oder Muhmen wehren, und sich nicht scliärnen würden, sie an ihre Tafel zu setzen etc. Sie vers])richt solches: Jene halten auch ihr Wort und stellen sich alle Tage fleissig ein zur Arbeit, damit die Braut auch wacker bestehet und zur Belohnung von ihrem Bräu- tigam erhält, dass er sie mit ehestem ehelichte. Wie also die Hochzeit angegangen, stellen sich die abschculige Monstra alle ein, und werden auch von der I5raut wohl respectiert und für Wesen tituliert, dass dem Bräutigamb missgefallen. Darumb er von seiner Liebsten erfraget, wie .sie zu solcher garstigen Freund- schaft gekommen währe? R. Sie sind also ungeheuer von vielen geworden: Eine als die Dick- und Breit-Arsigte hat sich an nn- mässigem Sitzen also verwahrloset, die andere hat ihren Daum nicht minder verschorn, in deme sie so häufflg den Faden mit gedrehet, die dritte hat ihr Maul gar weggelecket, drüber die Nase so hervorraget. Hierauff soll der Bräutigam betrübt geworden — -il — hie (liri |'';iiil()i (()ö)'). Der uiHliinkburf Sohn hält vor (li'iii \'atcr (his Ksson verstockt, da er's ihm miss^önnt II 11(1 iiiiiss (liil'ür ciiii' Kröff! im üosicht mit soinom nif^enon Mcisch liittPi-ii. In der iifiirhcitun;; folilt am Schhiss die Moral: ..da Jörnen andon; Kind!" und der Zug, dass die Stral'o des Sohnes später durch dio l-'iirhitte eines frommen .Maiinos f^a^.siihnt wird. Volkstümlich ist die Tautologie in (lom Satze: ..die sass da iiinl ging nicht wieder weg" (die mocht ihm niomaiid hinweg tuon). Die Wendung: ..Die ICnito sah ihn gütig an"', ist schon durch den entspreclienden Ausdruck der Vorlage: „die sah ihn knimli an'", genügend vorbereitet. — Die schwankhafte Erzählung von den drei Faulen ist mit mannigfachen Abänderungen, die sich teils auf die Trägheitsproben selbst, teils auf ihre Reihenfolge beziehen, sehr häutig erzählt worden-). Giimni folgt fast wörtlich der Vorlage, lässt aber den Schluss fallen, der gleichnis- weise die körperliche Faulheit auf geistiges Gebiet über- trägt und eine lange Moralpredigt gegen unbussfertige vSündor anschliesst. Die Sprache wurde modernisiert: am Anfang fügt Grimm noch die Bemerkung hinzu, dass der König in Verlegenheit ist, welchem seiner drei faulen Söhne er die Krone geben solle, „da er sie alle gleich lieb hatte", eine Begründung, die sich öfter in den Märchen vorfindet, z. B. in Xr. 124, 179 usw. (vgl. auch die Ring- parabel in Lessings Nathan.) seyn und gesaget haben: ..Nun so sollet ihr euer Lebetag-e keinen P'aden mehr spinnen, damit ihr nicht solches Ungetüm werdet. Ihr habet doch vorher schon genug ge.sponnen." — Das wäre ein Wort für hiesige Jungfern und gut Wasser auf ihre Mühlen, ja ich halte auch dafür, dass sie solcher Rede und Aussganges sich anmassen und befahren. . . . 1) Pauli ed. Oesterley Cap. 437 und 201. 2) vgl. Gesla Romanorum ed. Oesterley S. 720. wo 30 Varianten citiert werden. — 45 — 11,58. Das Esolein. Eine Königin gebiert ein junges Eselein. Dieses ent- wickelt sich zu einem ausgezeichneten .Musikanten und wird schliesslich trotz seiner Missgestalt Gemahl einer schönen Prinzessin. Es ist aber in Wahrheit ein Mensch und trägt die Eselshaut nur infolge eines Zaubers. In der Hochzeitsnacht wirft er sie von sich, wird aber dabei belauscht, und der König, sein Schwiegervater, lässt sie verbrennen. Dadurch ist der Zauber gelöst, und der Prinz bleibt von jetzt ab in jMenschengestalt. — Vorlage war das lateinische Gedicht: „Asinarius." Es ist in Distichen abgefasst und zählt 404 Verse. Die Originalhandschrift, ein Strassburger Manuscript (MSS. Johann. C. 105). das nach Grimms Angabe aus der 2. Hälfte des 15. Jahr- hunderts stammte, ist beim Brande der dortigen Bibliothek 1870 zu Grunde gegangen; wir sind infolgedessen auf eine andere Fassung angewiesen. Das Gedicht ist noch in einer Salmansweiler Handschrift überliefert'), die im fol- genden zu Grunde gelegt wird, da der Unterschied des Originals von dieser Fassung nach den bei Grimm mit- geteilten Proben-) nur unbedeutend gewesen sein kann. Jedenfalls konunt er für eine Beurteilung der Grinnuschen Stilisierung gar nicht in Betracht. Trotz seiner Länge unterscheidet sich das Gedicht inhaltlich doch nur wenig von dem Grimmschen Märchen. Zwar ist es breiter und ausführlicher im Einzelnen als die Bearbeitung, wiederholt redselig manches ohne Grund nacheinander, aber es ist frei von grösseren Interpolationen. Wegen der fremden Sprache und der Technik des Verses musste die Erzählung auch ohne beabsichtigte Veränderungen eine vom Deutschen abweichende Stilisierung erhalten. Mit der lateinischen Sprache war der antike Hintergrund gegeben; Hinweise auf die alten Götternamen sind nicht verwunderlich. Der 1) abg-ed ruckt bei Fr. Mone, Anzeiger f. Kunde d. tcutsch. Vorzeit 1839 S. 551 ff. ^) KIIM III,:i 8. -i-iTf. — 4(i — köiii^liclic \;itcr scliwr.rt hei .Jiiiijiitcr und den oI^toii Ocittorri (pono .Jovoin testeiii 2:'>9; te.stor ego siiperos ft ceteni numiiui juris 2;')]); dio K/Jnijfin wendet sich in tägliciicii (icliotcji an die ntirnina, ihr (;inen Erheri zu hc- schereii (21). alter .J.nciiiii" ist ungünstig (7). Aiifh im (ihrigen hech'cnt sich das (Jedicht nietttiiymisch (h-r Ix-kannten (lütternainen: Thoehus uhi fessos in niare niergit e(|uos; (124) — (iiiinfiiic i('(h't pulsis nitihins Aurora tenehris, (325) etc. AulTaihMid g(Miug ist (his Bestrehen (h'S unl)e- kannten Verfassers (hirch rhetorische Pracht zu glänzen, die aHcrdings meist in Ausserliclikeiten erstarrt, wie viel- facli in hiteinischcn Dichtungen (his Mittelalters. Allitera- tionen erstrecken sich üher ganze Zeilen: Innc polis oriialur tanto nilescit honore iit placeat plane plus jjoli.s ipsa polo (293); — ac regina ridens ridente niarito (105) ... — atqiie regit regum rex duo regna duum (404). Beliebt sind Wortspiele und Antithesen: lionio pene- trat penetralia regis, prodere, quae vidit, prodigiosa volens (151) — ut doctore suo doctior ipse foret (84) — o res miranda, plus miseranda tarnen (26) — discunibendo placet plus concunibendo placebit (223) etc. Die Erzählung ist also in der Form durchaus nicht ungeschickt und eintönig, aber von der einfachen Märchensprache von Grund aus unterschieden. Nur selten hören wir einen volkstümlichen Klang; bei der Beschreibung der schönen Königstochter gebraucht der Dichter ein in aller Volkspoesie häutig vor- kommendes Bild: Candida delectat facies permixta rubore ac si conlemplor lilia mixta rosis (199). — Von einem bestimmten Einfluss stilistischer Art auf die Grimmsche Bearbeitung ist nichts zu verspüren; das deutsche Märchen ist eine kürzere Inhaltsangabe der lateinischen Vorlage, deren breite Ausführungen schon deswegen sehr zusammengedrängt wurden, weil man die rhetorischen Mittel der Darstellung nicht gebrauchen konnte. Bisweilen — 47 — wurden auch gnissere Partion unterdrückt. Dif laii^r Kla<,'e des Esels über seine Missgestalt (94 — lOG) und die aus- führliche, nicht uninteressante Verlobungsszene des jtingen Paares (275—325) sind bei Grinmi in die kurzen An- deutungen gcfasst: „darüber ward es so betrübt" und: „Also ward eine grosse und prächtige Hochzeit gehalten". Jeder Hinweis auf das antik(; Element niusste schwinden, ebenso auch einige lüsterne Stellen; anstatt der üppigen Beschreibung der Hochzcn'tsnacht der jungen Eheleute (317—24) hören wir bei (jrinuu nur: „da ward die Braut Iroli, küsste ihn und hatte ihn von Herzen liel)". Die junge Prinzessin ist l)ei Grimm, wie fast alle Königstöchter des .Märchens, ..w^underschön", die Vorlage macht uns ein- gehender mit ihren kcirperlichen Eeizen bekannt (184 ff.). Die Bearbeitung aber wollte nicht bloss einen in schlichter Sprache gehaltenen Auszug liefern, sondern fügte ihrerseits dem Text schmückende Zusätze bei. in denen sich namentlich die volkstümliche Ausdrucksweise bemerk- lich macht, z. B. Eselein. was ist dir? Du schaust ja sauer wie (M'n Essigkrug? (Die tili, (luid obest? cur tristis et unde doloris Stimulus iste cadat? 243.) Von volkstümlichen Zwillingsformeln begegnen: „Darüber klagte sie Tag und Nacht" (dem Lat. nachgebildet: nocte dieque rogat 22), ..es Avar auf einmal ganz lustig und guter Dinge", „es war voll Trauer und Angst" (multo stimulante dolore), wie die Mutter das erblickte, ting ihr Januner und Geschrei erst recht an (hoc foetu viso matcr iam peperisse dolet 28) und das charakteristische: „Es half aber alles nichts, das Eselein ,wollt und musste' die Laute schlagen", wo die Tautologie echt volkstümlich die Unabänderlichkeit des Entschlusses ausdrückt. Auch der ^Monolog, in dem der Sprechende sich selbst in der 2. Person anredet, im eigent- lichen Sinne also ein Zwiegespräch mit sich selber führt, ist eine schon von Jakob Grimm gewürdigte Eigentihn- lichkeit der einfachen Volkssprache. Hierfür ein Beispiel: er dachte, was hilft das alles, du musst wieder heim (cogitat ad patrios velle redire lares 230). — Von dem — 48 — l*]s('lt'iii. iils ) Schwanke und Fabeln d. H. Sachs ed. Goetze 11,290. 2) Schwanke und Fabeln d. H. Sachs ed. Goetze 1, 172. 3) Haupts Zs. Vin, 537 ff. Pllarizeii <:ioss(>ri Schaden zufü^^t«Ti, so wurden sie von den Wrill'en des Herrn zerrissen. Darüber erjrriniint verlangte der Teufel Ersatz, her Herr verspricht ihm CJeld zu zahlen, wenn das Kichenlaul» ahfällt. Wie die Zeit kam. und er seinen Lohn forderte, wurde er helehit, da.ss noch in Constantinoprl eine belaubte Eriche stehe. Ein halbes .Jahr irrt der Jiöse umher, aber wo er sich auch befindet, sind die Bäume belaubt. Aus Zorn darüber sticht er den Ziegen die Augen aus und setzt ihnen seine eigenen ein. — Die Bearbeitung bringt inhaltlich dassell)e wie die Vor- lage, verzichtet aber auf den Schluss, der l)ei H, ^iaclis vor den Verlockungen des Teufels warnt: er verwandle sich nicht nur in Ziegen, sondern erscheine auch oft in ßocksgestalt, um ehrbare Männer zu verführen. Die Worte bei Grimm: „In der Kirche zu Constantinopel steht eine hohe Eiche, die hat noch alles ihr Lauh" beruhen auf einem Lesefehler; die Vorlage hat: Zu Constantinopel in Kriechen (Griechenland). Damit stimmt auch das Folgende gut zusammen, dass der Teufel so lange umherirrt, ehe er die Eiche findet; überhaupt galt Griechenland im ^littel- alter als eine wilde, unwirtliche Gegend. Auch die Stelle: „er hetzte aus Güte und Gnaden seine Wölfe dran" ist durch eine falsche Verbindung der Sätze in der Vorlage entstanden. H. Sachs schreibt: Und sach darzu wie die gaispoeck . . . Detten den pllanzen grosen .schaden. Das jamert in aiis ffüet und gnaden Und iietscbet seine wült" an sie usw. Hieraus ergibt sich, dass sich das Mitleid Gottes auf die durch die Ziegenböcke beschädigten Ptlanzen bezieht. Das hat auch allein einen Sinn. — Der Wortlaut ist vielfach durch die Vorlage beeinflusst und zeigt alter- tümliche Formen. 11,63. Der Hahnenbalken. Bearbeitet nach Friedrich Kinds Gedicht gleichen Namens in Beckers Taschenbuch 1812. Die Vorlage er- — 53 — zählt (las Mürchon in 15 nicht eben poesievollen, aber glatt und leicht (hihinfliessenden Versen als scliwankhafte Anekdote. Der niiin-hcnhaftc Kern der Erzählung, die Wirkung des glückbringenden, vierblättrigen Kleeblatts, \vird nebenbei behandelt; der Schluss, wo berichtet ist, (hiss das Mädchen in ihrer Verblendung ein blühendes Flachsfeld für Wasser hält und durchwaten will, — eine uralte Vorstellung, die sich unter anderm auch in der Sage von Eodulf und Runietrud findet') — leicht ins Schwank- hafte hinübergespielt. Dem ist auch der sprachliche Aus- druck angepasst, der absichtlich groteske und lächerliche Vergleiche bevorzugt: „Er winkt; der Hahn flie,cajl)('itiiiig-l)escliränkt sich uiifdio Krwälimnif,' der Jlaupt[)uiiklo, diu sie schlicht aneirmridor reiht. Der spass- hafto Ton, der die Vorlage beherrscht, ist völlig ver- scliwundeii, wie denn Grimm bezeichnenderweise den drastischen Vorfall sich auf dem Hochzeitsgange der Braut abspielen lilsst. Der Schauplatz (in der Vorlage Schwaben) wird nicht erwähnt. — Volkstümlich ist die sprichwörtliche Redensart: und jagten den Hexenmeister mit Schimpf und Schande fort (Hans Hagel griff zu Stein und Kot Und wählt des Gauklers Kopf zum Ziele: doch der entkam im Volksgewühle.) Auch der Paralh'li.smus in der Wendung: „Da gingen ihr die Augen auf und sie sah, dass sie mitten in einem blau- blühenden Flachsfeld stand" ist nicht etwa eine leere Wiederholung, sondern eine Eigentümlichkeit volksmässig- archaisierenden Sprachgebrauchs'). (Vorl.: erblickt sie nur ein Feld mit Flachs); — ,.den Balken balancieren" heisst bei Grimm anschaulicher und mit Umgehung des Fremdworts: „und trug ihn, als war er federleicht". — Eine Erzählung aus dem Paderbörnischen und in Fr. Mones Anzeiger 1835 (p. 408) stimmen in der Haupt- sache mit unserem Märchen zusammen; in ersterer fehlt die Rache des Zauberers-). 11,67. Das Märchen vom Schlauraffenland. Zu Grunde liegt das mhd. Gedicht unter dem Titel: So ist diz von lügenen''). Die Anklänge an das weit- 1) W. C4rimm erklärt es für einfacher iind kindlicher zu sagen: „meine Ohren hüren" statt: ich höre. Erstere Wendung könne nur Unverständigen ein Pleonasmus sein (Sendschreiben an Gräter S. 29). 2) KHM. lir^ S. 149. 3) C. H. 3Iüllers Samml. deutsch. Ged. a. d. 12.— 14. Jhrd. in, 14. vgl. Haupt und Hoffmann, Altd. Bl. 1,103. verbreitete ')Märcheii vom glücklichen Lande der Schlaraffen treten aber fast ganz zurück; bloss die Linde mit lieissen Fladen und der Honigfluss kfinnten darauf hinweisen. Da al)er die Erzählung sonst sich in dan Formen des Lügen- märchens bewegt, und auch die Überschrift auf die folgende Anhäufung von unerhörten und unmöglichen Dingen auf- merksam macht, so ergibt sich daraus, dass das Märchen mit Unrecht als eine Beschreibung des Schlaraffenlandes angesehen wird-). A'on Schlaraffen als faulen Schlemmern oder Phantasten ist nirgends die Rede. Das Gedicht be- ginnt: ..Ich sach eins males in der äffen zit" usw., w^ofür Grinun ohne weiteres „In der Schlauraffenzeit" einsetzt. Die Angabe „in der äffen zit", die im 15. Jahrhundert öfter ohne jeden Gedanken an die „slüraffen" vorkommt, ist zu vergleichen mit solchen in andern Lügenmärchen, wie z. B. zu Weihnachten im Sommer, zu Pfingsten auf dem Eise usw. Die Vorlage ist ein kunstloses Produkt aus dem 14. Jahr- hundert mit vielen unreinen Reimen. Die Darstellung bemüht sich nicht, abzuwechseln, sondern reiht die einzelnen Sätze meist mit den einleitenden Worten: Dö sach ich .. . an einander. Der Mangel stilistischer Ausdrucksmittel ist auch auf die Bearbeitung von übelm Einfluss gewesen, ob- gleich sich diese hütet, der Vorlage mechanisch zu folgen. Einzelnes wurde mehr hervorgehoben: da kam eine Schnecke gerennt (dO sach ich einen snecken) eine alte Schindmähre (ein beesez pfert), ein bitterscharfes Schwert (vil boesez swert), von einem tiefen Tal auf einen hohen Berg (von eime tal üf einen berc). Für „ern" setzt die Bearbeitung dasmundartliche „zackern", statt des allgemeinen Ausdrucks: dö sach ich ein rote kuo daz bröt in den oven tuon die W^endung aus der Handwerkssprache „eine rote Kuh schoss dasBrot in den Ofen"''). Die unsaubere Schlusspointe: 1) vgl. E. Schmidt, Charakteristiken 11, 51 ff. 2) Beiträge von Paul u. Braune V, 41ü. 3) (Irimm, Deutsch. W.-B. 9,40. — ÖG — du si)rach ein huoii : est ftz geseit, ein unjrofiioc scl)ei/. uf dif biuoili, r-st fiz H'est'it heisst bei Grinini zierlich: ..Da krähte ein Huhn: Kickeriki! Das Märchen ist ausverzälilt. Kick«'riki!'" Di(? ]karl)eitunt,' ist nicht oiine Irrtümer. Der Text (h3r Vürlaf(e: do sac-h ich zwei rindor zwo geize bringen wurde infolge eines Versehens (Gr. las .Kinder statt .Rinder") unifj^e formt: „Zwei Kinder, die würfen zwei Zicklein"'. Ein gleicher Fehler steckt in der Wendung: ..Und im Hof standen vier Rosse, die droschen Korn aus allen Kräften'', wofür die Vorlage bietet: du sach ich vier rösser üz howe körn, dreschen. (= aus Heu Korn dreschen). Erst hierdurch wird der Gegensatz der mit einander verbundenen Begriffe herge- stellt, wie er für das Lügenmärchen notwendig ist. — Be- deutung und Zusammenhang erfordern für den Ausdruck: dö sach ich ein vil b(esez swert houwen eine slegebrueke enzwei das Gegenteil der Grimmschen Übersetzung, also nicht ein „bitterscharfes" Schwert, sondern ein sehr stumpfes, denn es soll ja gerade das Unmögliche mit der Redensart ausgedrückt w^erden. — Die beiden folgenden Märchen unterscheiden sich wenig von ihrer Vorlage. Das dithmarsische Lügenmärchen (11,68) ist die Prosaumschrift eines Tanzliedes'). Der im Zusammenhang etwas unklare Satz: ,.de Wahrheit kommt by groten hupen und blief doch nicht verschwegen", worin man keinen Widerspruch entdecken kann, blieb in der Bearbeitung weg. Die Worte: .,se segelten bv iJ:roten 1) Anton Vieths dithmars. Chronik 1733, 111 = Uhland, Volks- lieder, 24Ü. — 57 — hupen'' sind irrtümlicli als ..über gTOsse Hufen" verstanden und demgeniäss übersetzt worden: „und schifften über grosse Äckrr hin"; .,by groten hupen" iieisst aber ..haufen- weise". — Aliitterierend lieisst es einmal: fein langsam und leise (de schwammen also lise). Die 6. Auflage fügte den hübschen !>chluss hinzu: Macht das Fenster auf, damit die Lügen hinausfliegen. — Das Rätsel märchen (II. 6i)) ist aus einem Volksbuch aus dem Anfang des U). Jahrhunderts abgedruckt '). Das Märchenhafte der Erzählung liegt in der Verwandlung der Frau in eine Blume; ähnliche Verzauberungen kommen häutiger vor z. B. im Liebsten Roland (56) und im Funde- vogcl (51). Die Sprache zeigt geringe Modernisierung. IL ()6. Die heilige Frau Kummcrniss. Die Legende erzählt von dem Märtyrertod einer portu- giesischen Königstochter Wilgefortis, die als Christin sich nicht mit einem heidnischen Prinzen vermählen wollte und deshalb Gott anflehte, ihre »Schönheit zu zerstören und ihr einen Männerl)art wachsen zu lassen. Das Wunder geschah, und sie wurde von ihrem grausamen Vater, der sie zu der verhassten Heirat hatte zwingen wollen, zum Kreuzestode verurteilt. — Vor ihrem Heiligenbilde kniete einst ein Geiger und spielte ein schönes Lied. Zum Dank dafür Hess das Bild einen goldenen Pantoffel niederfallen. Das Fehlen des Schuhes wurde bald bemerkt, es geschah Um- frage, und der Spielmann, bei dem er gefunden wurde, sollte wegen Kirchenraubes gehängt werden. Auf seinem letzten Gange bat er sich die Gnade aus, noch einmal vor der Heiligen spielen zu dürfen; es wird ihm erlaubt, und wie er einen Bogenstrich tut. lässt das Bild auch den zweiten Schuh fallen, und der Geiger wird freigelassen. — Die Bear- beitung folgt fast wörtlich der Fassung im Andreas Strobls: Ovum paschale (Salzburg 1700) p. ^IGf. Der Bericht des Wunders wurde etwas abgeschwächt, im übrigen aber lässt 1) vgl. Haupts Zs. HI, 34. — 58 — siel) ciiM' al)\v('i<'liMi(l(' Stilisif'iiiii;f iiiclit iTk'.'iirifMi. Zwar' ist dir Sj)racli(' flwas modciiiisifrt. doch blickt der alter- liiinliclii' (iiiHid noch iil)crall liervor. Der latcinischfi Xamo (h'r .Jiiii;4'lriui Wil^^olorlis wurde unterdrückt, chonso die Wencr die licriih- rung mit Ooethf; auf (h-r fiim-n. mit dir- noidischen Romanze, die ich (himtils von Wilhehii übersetzt erliiclt und mit dem (.'id in Hinsicht des Aufriciitens toter Leiber (auf der anderen Seite) bestimmte den Abdruck"'. In einer Anmerkung' seiner Zeitung maciite der,. Ein- siedler" Arnim darauf aufmerksam, dass die Verse, die der schöne Vogel singt: Mein Müller, der mich schlact't Mein Vater, di-r mirh ass . . . in G retchens irrem Liede in der Iverkerscene des Faust wiederklingen. (Arnim schreibt statt Gretchen irrtümlich Klärchen). Das Folgende deutet auf die von W. Grinmi aus dem Dänischen übersetzte Romanze: „Des Riesen Lang- bein und Wittich Wielands Sohn Kampf, wo die Auf- stellung eines toten Leichnams eine ähnliche Rolle spielt wMe im Cid*). — Die beiden i\lanuscripte lUinges nahm Arnim mit nach Kassel und üi)erlicss sie 1809 den Grimms zur Abschrift. Später empfing sie auch Friedr. Heinr. von der Hagen, von dem sie dann dessen Freund Büsching für seine 1812 erschienene Sagensammlung entlehnte. Ein Vergleich der beiden Abdrücke bei Grimm und Büsching lässt deutlich orthographische und ganz geringfügige stilistische Abweichungen erkennen. Die Varianten des Grimmschen Textes kommen auf Rechnung des Verlegers Georg Andreas Reimer in Berlin-). Dieser, eingeborener Greifswalder, hatte ohne Erlaubnis Grimms den Wortlaut der plattdeutschen Märchen nach eigenem Sprachgebrauch und nach Job. Carl Dähnerts plattdeutschem Wörterl)uch (1781) umgeändert, da er ihm der pommerschen Mundart 1) Ztg. f. Einsiedler Xo. 30. Altdän. Heldenlieder S. 17. 2) Nachgewiesen von Steig. Arohiv f. d. Stud. d. neueren Spr^ichen u. Litt. 107, 277 ff. — ül — nicht ^eiKui zu eiitspreclion schien. Stärkere EingrilTe zeigt der Text des ,. Fischers", aber auch das Märchen vom Machandelhooni erlitt X'eränderungen, obgleich sie weniger zahlreich und unbedeutender waren, „da die Abschrift viel correkter und den Regeln des Plattdeutschen zusagender war als beim Fischer". Da aber die Anmer- kungen am Schluss besagten, dass es wörtlich nach Runges Mitteilungen abgedruckt sei, so geriet Reimer, der bei der Drucklegung des Märchentextes noch nichts davon gewusst hatte, in Verlegenheit. Er schrieb deshalb am 1. Dezember 1812, um sein Verfahren zu entschuldigen, dass schon die Ungleichheit der Schreibart einen ganz wörtlichen Abdruck nicht gestattet hätte, und führt als f]ntlastungsgruiid für sich an. dass ihm Tieck zu seiner Beruhigung mitgeteilt habe, .,die Erzählung sei gar nicht so abgefasst, wie er sie selbst häufig aus Runges eigenem Munde gehört habe, selbst in einigen Wendungen und ^Momenten der Entwick- lung verschieden ')", Reimer wusste selbst, dass die Mit- teilung Tiecks seine Eingriffe in die Gestalt der Märchen nicht entschuldigte und war deshalb zu einem nachträg- lichen wortgetreuen Abdruck bereit. Da aber die Aus- gabe des Buches nicht verzögert werden sollte, so unter- blieb die w^eitere Änderung, und auf Reimers Veranlassung lautete die Anmerkung zum Machandelboom: „Dieses wunderschöne Märchen ist uns von Runge mitgeteilt worden". Über das Verhältnis des Abdrucks zum ursprüng- lichen Text wird nichts gesagt. Steig vermutet mit Unrecht, dass Reimer auch die Fassung des „Fischers" bei Büsching als fehlerhaften Abdruck des Rungischen Märchens bezeichnet habe'-). SchwerHch hatte er trotz seiner Änderungen an dem Grimmschen Text ein derartiges persönliches Interesse an dem Wortlaut bei Büsching, dass er ihn sogar zu einer genauen Vergleichung herangezogen hätte; denn ohne 1) Archiv a. a. O. S. 293. 2) Archiv Bd. 107, 296. — ()2 — dieses N'crfaliren würde er den l.'nterscliied gar nicht l)em(!rkt liahcn: auch bezeichnete er ihn niclit deshalb als ((dilerhalt, weil er (hjn Grimnisehcn Text für unvoll- kommen hit'lt und Verbesserungen anliiaehte. Vor allem aber spricht dagegen, dass schon in einem lirief der Brüder an Arnim vom 20. St'j)t. 1812 Hüsching der \'or\vurf gemacht wird. (;r habe das .Märchen vom Fischer ungenau wiedergegeben"). Mit diesem Briefe aber ging erst das Drucknuinuscript der Märchen nach Berlin ab-): es kann sich also i)ei dem Tadel, den sich Büsching von den Grimms gefallen lassen muss, nur um die (wohl durch Druckfehler ent- standenen) Abweichungen gehandelt liaben. die seine Fassung von ihrer — wie man sicher annehmen darf — ganz wortge- treuen Abschrift des Kungischen ]\Ianuscripts unterschieden. Da diese nun aber durch Reimers Schuld entstellt ist, so sind wir nicht im Stande, solange nicht jede Änderung Reimers als solche nachgewiesen ist. anzugeben, wieweit Grimms Vorwurf Büsching gegenüber berechtigt war. Der von Reimer veränderte Text blieb auch in der 2. Auflage bestehen. Die Note zu No. 19 im 3. Bande zeigt jedoch, dass den Brüdern die P>innerung an Reimers Verfahren noch nicht verloren gegangen war. Da der Text in ihrer eigenen Sammlung nun noch viel weniger als der Büschingsche der ursprünglichen Handschrift Runges entsprach, so fehlt hier der ganze Passus über von der Hagen und Büsching. Der Machandelboom trägt den Vermerk: „Von Runge nach der Volkserzählung auf- geschrieben," weiter nichts. — Von ganz geringen Ände- rungen abgesehen'') überlieferten auch die folgenden Auf- lagen den Text in der alten Form bis zur 5. Auflage der kleinen Ausgabe der Märchen, die man seit 1825 einge- richtet hatte'*). Dann aber erscheinen die Märchen plötzlich ') Steig-, Achim v. Arnim Ilf. ilß. 2) Steig, Achim v. Arnim 111,213. 3) Archiv, S. 297. *) Steig, Achim v. Arnim^ III, 548. — (>3 — in ganz neuer Gestalt. Inzwischen (1840 — 41) waren nänilicli die liinterlassenen Schriften Otto Runges er- schienen, in denen die Texte von Daniel Runge, dem Herausgeber, in Hamburgischen Dialekt umgeschrieben waren. 1812 schrieb er bereits an Arnim und erbat sich von ihm das Manuscript der beiden Märchen. Das befanti sich aber in Clemens Brentanos Händen. Ob dieser es zurücksandte, bleibt bei dem Mangel an Nachrichten darüber unsicher. Die Umschrift der Märchen zeigt aber eine so weitgehende Übereinstimmung mit der ursprünglichen Fassung, dass man notwendig eine ältere Vorlage an- nehmen muss '). Es ist möglich, dass Daniel Runge die Abdrücke in Grimms oder Büschings Sammlung ])enutzte, aber da er mit keinem AVorte die Zugrundelegung einer fremden Fassung erwähnt, so scheint er das Original- manuscript der Märchen samt den Briefen seines Bruders von Brentano zurückerhalten zu haben. Wenig verändert wurde das Märchen vom Machandel- boom; hier handelt es sich bei den Abweichungen fast nur um Sprachformen. Beim Fischer dagegen zeigen sich i)edeutendere Eingriffe. Der Einschub neuer Sätze ver- ändert auch die alten; am auffälligsten tritt das Bestreben hervor, Detailschilderungen zu geben und den äusseren Glanz der Situationen mehr hervorzuheben. Aber trotz aller Änderungen ist auch hier die Übereinstimmung mit dem Früheren ganz evident. Die neue Form der Märchen wurde von der 5. Auf- lage (1847) ab von W. Grimm trotz einiger Bedenken angenommen. Damit stimmt nun aber nicht die An- merkung des 3. Bandes (1856); dort steht noch wie früher bei No. 19, dass das Märchen in pommerscher Mundart aufgeschrieben sei; Grimm vergass. dass er inzwischen die Alärchen nach Daniel Runges Vorgang in Ham- burgischem Dialekt aufgenommen hatte. In dieser letzten •) Anders Stoig, Archiv a. a. O. 298. — «4 — Form stehen die Mürclien noch heute' in iinsom Aus- gaben. Der Erzähhin;^ vom Fisehe-i'. die den schwindelnden Aiifsliei;- lind jähen Sturz eines ehr< Textes in beiden Krzählungen ist also di(^se: 1. Das ursprüngliche Manuscript Jfunges enthielt die von Brentano gerügten Abweichungen. ') Zimmei-, Z. ii. d. Ronianlikcr S. 277. ralae^tra XI.VII. ü — »;<; — 2. \)vv Abdiiick lies ,.,Macli;iiiilt'lhooiM.s" in der Zi'ituiii: IUI' J']iiisic(ll*'i' iiml des ..Fiscliei.s'" ln-i ßüscliin;.' stehen dem (veränderten) Uuntrisolion Text am nächsten. ;>. Bedeutendere lOiiiiiiill'e von tremder Hand yj\'jL\ der Ahdruck dei- heidcn Märchen hei (irimm isij. In einem andern Diah^kt erscheinen sie 4. in Run<((!S Hinterhissenen Schriften, dene-n sich 5. Wilhehii Grimm nachher anschloss. Das Originahnaniiscript ist nicht wieder aufgetaucht. Die zweite Auflage der ]Märclien (1S19) l)rachte nicht nur eine Reihe neuer Erzählungen, sondern änderte auch Tielfach an der ersten Fassung. Auf manche Mängel der Sammlung war von den Freunden hingewiesen worden, namentlich hatte Arnims verständnisvolles Urteil, worauf die Brüder besonderes Gewicht legten, bestimmte Nach- teile gerügt. Obwohl die Herausgeber bei ihrer eigen- artigen Auffassung des deutschen Volksmärchens nicht alle Einwürfe berücksichtigen wollten und konnten, so zeigt doch die neue Bearbeitung deutlich, dass sie einzelnen Besserungsvorschlägen Gehör gegeben hatten. Auch ihnen selbst genügte der frühere Zustand des Buches nicht mehr. Zwar hatte Jakob zuerst Arnim gegenüber jedes Märchen in Schutz genonnnen. aher schliesslich fand auch er den 1. Band unvollkommen: „Ich denke nicht", schreibt er an Wilhelm '), „dass er ebenso darf wieder gedruckt werden, sondern vieles ist zu bessern und zu vermehren." In der neuen Ausgabe, die für die folgenden im grossen und ganzen textlich massgebend gewesen ist. trat der Charakter einer blossen Sammlung mehr zurück, und die Form ge- wann an durchgehildeter Feinheit. Die grössten Änderungen erfuhr aber nur der erste Band. Fragmente, lückenhafte Erzählungen und einige Märchen in altertümlicher Sprache wurden teils durch vollständigere Überlieferungen ersetzt. 1) Am 11. M.ii islö. — 67 — t(,'ils erjiiiiizt. luul sn niiiflt das liuch ein j^ariz audei'os Aussclien. Auch im Klciuci; ist die bessernde Hand der Brüder oft zu spüren. Es seien die äusseren Veränderungen durch Zahlenangaben deuthch gemacht. Ausgeschieden wurden Xo. G, 8, 22. 27. :?:5. 54. (52. 71, 72. 77. 82, 85. Eine ganze Reihe braclitc man im ;J. iJanih' unter, der 1822 selljständig mit den Vaiianten und Anmerkungen erschien, die man in der 1. Aufhige ..wegen ihrer angenehmen und eigentümlichen .-\l)\vcichuiigcn" noch in den Text aul'- genommen hatte. In der folgenden Aufzählung der aus- geschalteten ]\[ärchen bezeichnet die eingeklammerte Zahl den Platz, wo sie im 8. JJande erwähnt werden: es sind No. 16 (62). a2 (82), 64 I (57), :54 (34j, 59, 66 (127), 60. 61 (60. 61). 68 (88). 70 (56). 78 (46), 74 (60), 75 (29), 81 (82), 84 (Fragm. 5). Im 2. Bande wurden gestrichen No. 83, 43, 44. die Jakob als das schhichteste Stück der Abteilung bezeichnete'). 57, 66. Xo. 18 findet sich als Variante zu 1. 86 zu 122. Xo. 85 erhielt einen besseren Platz unter den Ivinderlegenden (9). Im übrigen handelt es sich hier um kleinere Formverbesserungen. Es kamen ausser den Va- rianten neu hinzu Xo. 6—8, 16, 22, 27, 88, 85. 87, 59, 66, 68, 7(»— 75, 77, 82-84, 95. 119. 121. 129, 130, 143, 152, 155. 156. Einige sind Kedaktionen älterer Aufzeichnungen. Die Vorzüge der neuen Ausgabe waren unverkennbar, Jvühn)end hebtüörres ..die ansprechende Harmonie zwischen Inhalt und Form" der Märchen hervor; er bewundert den sicheren Takt, womit die Brüder den Ton der Darstellung getroffen hätten, und versichert, das Ganze sei so, dass keine Literatur etwas in dieser Vollkommenheit dagegen zu stellen habe-j. 35. Der Schneider im Himmel''). Schon der schwäbische Humanist Heinrich Bebel er- zählt den bekannten Schwank in seinen Facetien unter 1) Briefwechsel zwisclien Jakob u. Willieliu (hiiiini S. 440. -) lirief an Grimm vom 1(3. Dez. 1822. ■■} Viii. H, Kollier, Aufsätze ed. Bolte u. E. Selmiiclt S. 48 ff. — OS — der ljl)(M-sclirirt: ..iJc sarciiiatoi'c liilnilu'" '). Aus iliui scliüjirtcii l-'rcy ((iJirtrMijrcsf'llsclialt. ( ai». lo'J) uml Kirchliof ( \\'cii(liiniiiiitli l.2.''>()). .If'dcr von iliin'n lii^^tc KlciriitrkcitrMi hinzu. l''i-('_vs Darstclluii«.'- 7A'\>^t im (ioj^eiisatz zu seiner \'()ilai;i' einen deilien Humor, ist anseliaulich und di'amatisch belebt uinl bringt /ueist (b'ii ticl'fliclion Sebluss. wonach (b'T aus (b'Ui llininnd vertriebene Schnoider das Dorf Wart- eiiiweil aulsueht. um dort mit den Landsknecliteu zu zeehen. Kirchhof bo^qnnt si)öttisch: .,Ach leider, was lial)e ieli ver- gessiMi? Der Schneider sollte ich ol)en bei dei- Fürsten und des Adels Historien Meldung; getan lial)eii. sintemal wann dieselbigen all gestorben, sie die ei-sten sein, die Edelleute werden mögen'*, und fähit dann nach Art des Lügenmärchens fort: ..Ein Stumm hat mir gesagt. da.ss eine blinde Frau auch gesehen, es hab ein hinckender Schneider vor Zeiten auf seinem Handwerk umher- gewanderf usw. Das Folgende schliesst sich enger als bei Frey an die Vorlage an. Der Schluss lautet echt märchenhaft: ..Wer so fürwitzig ist und gern wissen wollte, wie es dem Schneider fürder gangen, mag vorm Himmel danach fragen.'' Die Moral bedient .sich des Ovidischeii Distichons nach Bebel: .,Si (jiiolios ])ec'cant honiines siia fulmina mittat .Jup])iter exiguo tempoie inermis erit.'" Kirchhofs Übersetzung gibt denselben Gedanken in christ- hchem Sinne wieder. Die Brüder Grimm benutzten im wesentlichen die Dar- stellung bei Frey, milderten aber einige austössige Stellen. Am Anfang fügten sie das Zwiegespräch zwischen Petrus und dem bittenden Schneider ein, wobei uns die volksmässige Ausdrucksweise interessiert: „Petrus fragte: Wer klopft? Ein armer, ehrlicher Schneider bittet um Einlassl — Ja, ehrlich wie der Dieb am Galgen, du hast lange Finger gemacht und den Leuten das Tuch abgezwickt". Die Vor- lage berichtet einfach: ,.Der Schneider war gern hinein 1) Opusciil.i l.')!4. .\n. d. Vereiii- i. Yolkskimde 4,47. ■') Schwanke ed. Goetze No. 94. Vo-]. auch H. Saclis" Meister- lied grleichen Inlialts. Zs. d. Vereins f. Volkskunde 4..37 f. — Ti- er packt iliy\ An dein I)ial(^;^- zwischen di'ni Vatci- iiml den ihm bei;ojiiienden Personen ist die Wiederkehr der- selben Worte bemerkenswert. Die Fraise des Mannes: .,Wer bist du?" wird reii-olmässig' di'ei Mal ucstellt. Die schroffe Antwort des Armen auf das fi'eniidliche Ancrl)ieten (lOttes: ..Du ii'iebst dem Reichen und lässt ilie Armen hunü'orn" wird entschuldigt: ,.So sprach der ^lann. weil er nicht wusste. wie weislich (Jott Keichtum und Armut verteilt." Einiii'f^ Ausdrücke machen die lOrzählung' volksmässigcr. z. B. die Euphemismen: ..und da war für ihn kein Kraut mehr gewachsen": ..unterstehst du dich, mich noch einmal zu betrügen, so geht dir's selbst an den Hals" iG. Aull. .,an den Kragen"), ..es ist aus mit dir. die licihe kommt an dich", ausserdem die folgenden Wendungen: ..das war der liebe iioti. der wusste schon, was er auf dem Herzen hatte". ..er würde es so übel nicht nehmen, wenn er ihn einmal hinters Licht führte": .'.so drückt er wohl ein Auge zu": ..dass er alle Gedanken in den Wind schlug", und die Heimworte: ..weit und breit kamen die Leute"; ..ich will ihm Gold die Hülle und J^'ülle geben". Der Zusatz: „Der alte König weinte Tag und Nacht, dass ihm die Augen erblindeten" entspricht gleichfalls einer in der Volkspoesie liäutig Yorkonunenden Hj^Dcrbel. Der Kinderspracho ge- hört die Wiederholung eines Wortes an, z. B. ..viel tausend und tausend Lichter'. Der Monolog steht einmal mit Personenwechsel: ,.Der Arzt dachte, vielleicht kannst du den Tod überlisten, weifs dein Herr Pate ist. wird er's so übel nicht nehmen". Die Fremdwörter wurden ver- deutscht: ..Arzt" (Doktor), .,vom Tod erretten" (kurieren), ..das Kraut gebrauchen" leine Kur anfangen). Das "Märchen ist über ganz Europa verbreitet.') Jn allen Darstellungen sind die Motive wesentlich dies(dben: wunderbare Krankenlieilungen durch ausserordentliche Mittel, die man einem h(ihereii Wesen verdankt. D'w ') Chistav Meyer, lussays 1,152 IT. n. Hohe. Z>. d. Vereins Volkskunde 4.34 IT. riii'ilistuiiL'' des Todos k:iiiii wie in (liiiiinis Miii'<-lii-n (liinli l iiKlrclicii des I'cltrs Ix'wiikt \\<"i'(k'ii: (laiM'lx'ii timlft sich iiiifli die Koi'in. d;iss dci- Kcurikc nocli iiiii (lie Frist bittet, ein \';it( riiiiMT /ii sjjrcclKMi: er ItcLn'iint (Uuiii daiiiit, nlinc fs zu Kiidc /.ii iMtcii. (, cwöliiilicli ahcr iil)crlist«'t dci' Tod den Ki'ankcii. i)icscr '/avi liiidct sifli schon in • •iiiri' isiäiidischi'ii iM'zähliui.ir: .. I)eg-endcn, Novellen u. Mäivlien II.Ho. 2) Ilag-en, GesanUabenteuer XXX. 3) Sohwänke ed. Goetze III,t)l u. Werke ed. Keller 9,46?. — 78 — rungoii (las (ianzf in cinciu iiüchtci-iifii Ton iiml ln-ht in der ]\lofal eiiulriiii^lirli die W'aiiimi;^' vor schleelileii Haiis- inägden hervor. Die Briidci' (ii'iimii l'olgteii der Dai'- stelliiiig in Andreas Strol)ls: Ovnni |)aschale (Salzburg 1700 S. 2:5 IT.), wo die Geschichte zu einem lauing crzälilten „Osterniärlein" ausgestaltet worden ist. Ihvv, Zusätze beschränken sieh auf einige si)richwörtlielie Redensarten: ..die Kö(diin niuss wissen, wie das Ivssen schmeckt": ..wo das eine ist. muss das andere auch sein, die zwei gehören zusammen": ..was (h'm einen recht ist. das ist dem andern billig"'. Volkstündich sind auch die Ausdrücke: ,.er lieC, als wenn das Feuer unter ihm Ijrennte" (lief, was er kunnte): ,,sie tat einen ehrbaren Truidv" (tet ein Trünklein (hiiMuli und die 'l'aulologie: „ist abcjr Januner und Schade": „ist ja Sund und Schand". I)<'r Monolog zeigt einmal Personenweclisel: „sie dachte, du bist doch ein schönes Mädel" (in der N'orlage: „bin ja ein rundes Diendl"). l)ie Kremdwi'irter „tranciueren" und ,,\"es|ierzeit" sind bei (irimm verdeutscht. Dem bekannten .Märchen von ..Hans im Glück" {S'.)) liegt die Fassung zu (Ji'unde, die' A. Wernicke in der Zeitschritt „Wünsclndrute" (1818: No. ;};>) nach mündlicher Überlieferung veröffentlicht hatte. — Tu der IJeai'beitung fehlen die scherzhaften (Ortsnamen „Gernefrass" und „Suse- wedel", und die Ausrufe Hansens: „Bei allen Heiligen", „ich l)itte euch um dei' sieben AVunden Christi willen", die auf tunen katholischen Verfasser hindeuten. Hin und wieder wurden einige Worte hinzug(dügt. So ist z. B. die komis(die Situation des Kulimelkens deutlicher als in der N'orlage beschriel)en: Hans hat die Kuh an einen „dürren" JJaum gebunden und lässt die Milch in seine „Ijedermütze" rinnen, bis er von dem ungeduldigen Tier einen S(dilag bekonunt, dass er „zu Boden taumelte und sich eine Zeit- lang gar nicht besinnen konnte, wo er war". Den Vers des Scherenschleifers: „f»osclililT(«n MMiss ln'iil all<'> sein l'nd j^lütr/.i'ii \vi(> i-iii l<;ii riiiikclslciii" crsrtztc iiiMii (liircli das all;^<'iiM'iii<' S))ricli\V(>rt: .. Ilamlwcrk hat fiiicii •:;()l(l('ii(Mi lifxlcii". lOiii paai- Sätzi' sind in volks- tiiiiiliclicr S|)i'acli(' <4'('Iialtcii: ,.\Vi(! er so dahin ;rinjr und iinnici' ein Ijcinvoi- das iindfi-c sotztc": ..Hans suflito sfinc (ilif'dcr zusainmcn und luaclito sich auf den \Vp<;": ..dein Diui;' ist /u hcUcii. dachte Hans'': ..Herz, was voi'iani!,st du inchi" und alliterierend: ,.oin h'eitei-. dei- IViseli un(\ fr'ihlieh voriilicrtrabte". ..als ei- frank und frei daliiiiritf. Auch der iir;ii,Miantr (!el)raueh des Possessiv- Prononieiis gehrut hierher: ...Ja. die hat ihr Gewicht'* (— ihr izutes (iewieht) und die Euplienn'siueii: ..mit eurem Schwein ii!a;4"s nicht ;:anz lichtig sein". ,,es ist ein scldecjitei- Spass. das Jiciten". 84. Haus heiratet. ' Vorlage war eine Erziililung in Praetorius" ..Wüu.schel- rute" (S. 148 f.). Die Abweichungen der Bearbeitung sind unbedeutend. Hier erst trägt der Held den populären Namen ,.Hans'". Volkstiimiicli ist die Tautologie in dem Satze: „und bleu) da sitzen und geh mir nicht von der Stelle". Ein Gebot in negativer Form zu Aviederholen, ist eine in der Umgang\ssprache häufig zu beobachtende Erscheinung. Die Vorlage hatte indirekt und weniger eindringlich: „er sollt in solcher Positur i)leiben". In komischem C-Jegensatz zu (\ci armseligen Wirklichkeit in Hansens Haushalt stehen die wichtigen N'orbereitungen zur Hochzeit, die in der Ijcarbeitung noch deutlicher hervortreten: iler Vetter Hess „gut" einheizen, gab ihm „eine gute .Menge Weissbrot" und einen ..neugemünzten, glänzenden Heller" in (Ii(> Hand. Statt der Moral in der Vorlage, die vor leichtsinniger Heirat warnt, haben wir bei Grimm einen lustigen Kinderreim: „Bist du auch aut der Hochzeit gewesen? .Jawohl bin ich darauf gewesen. ]\rein Kopfputz war von J^utter C?. Aufl. von Schnee), da kam die Sonne, und er ist mir al)geschmolzen: mein Kleid WAV \oii SiiiiiiK'WcI). da kam ich diii'cli Dornen, dii- i'isscii es mir ab: meine PantoCioln waren von (ilas. da stiess ich an eincMi h^t(?in, da sajiten sie klink und sprangen entzwei."' Dieser echt märchenhafre Ahsciiluss stammt, ans mündlicher Üherli(d'erünü': er stand zuerst in So. 10 (l..\nll.). Canz ähnlich endet Xo. 9J ,.Dat Erdmänneken'': au(di in No. (56 hat Grimm durch einen Zusatz gleicher Art das Mäi'clien erweitert. 1 H). Die sieben Schwaben. Die älteste Ix'kaiinte L'berliefei'ung, die auf das Vor- handensein des Sehwanks von don sieben Schwaben S(ddiessen lässt, ist ein Dialog- in lateinischer Sprache aus dem Ende des 15. Jahrhundei'ts. I)etit(dt: (Jomedia d(^ le- pore (;t novem Suevis'). Drei Schwaben sind iil)er das Aussehen eines schlafenden Hasen entsetzt und hissen sich nur mit Mühe beruhigen. In veränderter Form taucht das Hasenabeiiteuer in dem von II. Sachs verfassten Schwank: ..Die neun Schwaben" auf-), wo erzählt wird, dass umherwandernde Schwaben einen schlafenden Hasen antreffen, dem sie mit einem langen Spiess zu L(Mbe gehen. Nach überstandenem Kampf kommen sie an ein Wasser, verstehen das (Quaken eines Erosches falsch und ertrinken einer nach dem andern. Das Gedicht bildete die Vorlage zu einer Erzählung bei Montanus (Gartengesellschaft IT. 18) und bei Kirchhof (Wendunmuth I. 27B). Dieser fügte noch einen dritten Schwank hinzu. (b'U er ebenfalls einem Meisttu'- lied des Hans Sachs entnahm: ..Der Schwab mit dem Rechen"-'). Ein bcw'affneter Schwabe hört auf dem Felde das Gebrunnn einei- Hornisse, hält es für eintMi feindlichen Kriegsruf und flieht. In der Hast tritt er auf einen Kechen. empfängt einen Schlag in den Rücken, glaubt sich von den Feinden ergriffen und gibt sich angstvoll gefangen. Seit 1) Bolte, Sclnvankbüclier des Monlaiius S. 507 ff. 2) Bolte, Zs. (1. Vereins f. Volkskunde 4,432. ■^] Schwanke od. Cootzo 111.345. • Irin 17. .I;iliiliiiii(irrt ist die SiclKMizalil dor Sdiwuhoii ;^('- liiulii;. Das ( Jiiiiinisclic. Müriln-n ist {znisstoiitcils Kircli- lioCs \\'fii(liiiiiimtli iiarlicrziililt. Die ^.Totcsko HeschrcibutiL' (it'S ll;i>rii: ..(l;i sass i'iii Hase in der Soriiw; niid srhlicf. streckte dii- Oliicn in die Urdic und hattt- dir «.'rossen. Ldäscrncn Auficn staiT aulstiduüi; d;i ciscliiakon sie boini Anblick dos ;[:Tansann'ii und wilden Tieres insL'-e-amt und liifltcn IJ.it" (iilsjtrielit den Vcrsm in [I. Sachsens Schwank von den neun Sdiwiihcn: „Sio fundcii |)all Sic; liielUüi rat lioii-en oincn liascsn in dorn gras, ' sie woUlfn sj»af (ior da entsclilarfen was r-ine küne dal luil offen aiig'cn harl all nenn peweisen .schiere sani H'lesren und ersinnt. an diesem i;i;uisanii'n und wilden Sein oren del er strecken. fdiere." l'jn llic<.,^en(l(\s Jilatt '), gedruckt bei Ki'. Caniiie in Xündjurji. lieferte die Unterreduniz' in Ueinien und die Xamen. Ver- sv'^hentlich i.st bei (irimni ,.Marli" für ..Marti" (Martin) irt;- schrieben. Nach der Versclunelzung der drei \'orlafren liaben di(] Bearbeiter nur nocii einige volkstün)liche Aus- drücke angebracht: ,.es war zu besorgen, das Ungelieuer verschlang sie mit Haut und Haar'"; ..frisch gewagt ist halb gewonnen": „es fuhr ihm der Stiel ins Gesicht und gab ihm einen ungewaschenen Schlag" (dass ihm der Stiel auf die Nasen schlug). Auch die flektierten Zahlwcirter haben für uns etwas volksmässiges: „sie hatten alle siebene sich vorgenommen". ..also dass ein Frosch ihrer sechse ums Leben brachte.'* Die Wendungen: ..dass ihm der Angst- schweiss am ganzen Leibe ausbrach" und: ..dem ich weiss nicht was für ein Geruch in die Nase kam"' sind anständige rmSJchreibungcn der nackten Derbheiten des 16. Jahr- hunderts. Kirchhof verlegt das Abenteuer auf eine Wall- fahrt nach Trier und Aachen: die genaue Angabe des Orts ist indes weniger märchenhaft. Der Schlussvers im Wendunnmth bringt, wie fast iuuuer. eine morahsche Nutz- anwendung: hier lautet sie beschwichtigend: 1) V.io(kcii nichts iihIii' iic|iiiicii will: ..ilas fü'Stc Mal iiml (las zwcilr Mal iicliti'tcn es die ScIiwcstiMii iii<-lit. wie es aber jcdrsiiial ^n-scliali, iiirrklfii sio auf iiiid spi'acJH'ii: es ist iiiclil licht i^' mit dem Zw('iäii;rl('iir'. Am aiitTallendsteii iiiilcrsclicidi't, sicli di(.' Umscdnilt vrjii dei- \'oi'lage diircli die Wicdcrlioluiig i^ewisser Zii^^e. Jicdm X'ersufli Dn-i- iiiij;leiiis. ihi(! Scliwester zu überlisten, liöicii wir dirsidhcii Worte wie IVülier: ..Al»< r Zwciiiii^lciii iiicikle, was I)r<'i- äuu'Ieiii im Siime liatte und trieb die Zie^e hinaus ins höh«- litas und spradi: Wir wulien uns dahin setzen, iJrei- ;uii:iciii. ich will dii' was vorsingen". Die Vorlage ver- weist kurz aufdcii früheren Fall; ..Aber auch diese suchte Zweiäuglcin auf die nämliche Art, wie sie bereits gestern getan, einzuschläfern". Überhaupt werden alle Vorgänge, die sich beim Besuch Dreiäugleins auf dem Felde abspielen, mit ähnlichen Wendungen wie beim Einäuglein wieder- gegeben. So heisst es zweimal: „Ich will mitgehen und techen, dass die Ziege auch recht gehütet und ins Futter getrieben wird". Drciäuglein wird mit denselben Worten wie Einäuglein aufgefordert, nach Hause zurückzugehen. Auf die l^Yage der Fee antwortet Zweiäuglein regelmässig: ..Süll ich nicht weinen?" . . . und das Folgende: ..weil ich zwei Augen habe, wie andere Menschen, so können mich meine Schwestern und meine Mutter nicht leiden, stossen mich herum [später noch volkstiindicher: stossen mich aus (Muer l^iCke in die andere . . .J, werfen mir alte, schlechte Kleider hin und geben mir nur zu essen, was sie übrig lassen", entspricht genau einer Parallele kurz vorher. Wenn die Vorlage berichtet, dass Dreiäuglein alle Erlebnisse auf dem Felde „haarklein" der Mutter erzählt habe, so gibt Grimm statt dessen eine ausführliche Schilderung, den Zauberspruch der weisen Frau zum fünften Mal wieder- holend. Die Sprache ist einfach und schlicht. Künstliche Tropen mied man und nannte die Dinge mit ihrem rechten Namen: ..Zweiäuglein merkte gar bald, dass der ßaum aus den Kingeweiden der Ziege aufgeprosst war". Die Vorlage umschreibt: ..Zweiäugiein gewahrte, wie der wunderschöne — 79 — I');iuiii i'lirii da aus dvv 1m'(1c li('iv(»ri;e.s))ri;sseii war. wn sie den wiinderljanMi Samen der Erde anvertraut liatte". Der alleiiorisclie Ausdruck: ,,dass sie trauernd lieruin Ausdrucks: ..Der Schneider i)Hrt' allrrlrj iJcdcrcheu"' liest man jetzt bestimmter: ..Er pliff das l.iedehim: Es ritten drei Scliiieider zum Tore hinaus." Der Umgangssprache anoehörig sind \\'rnduiii:cn wie: ,,üas ist ein Kinderspiel" und: ..dem Ding will ich einen h'iegel vorschieben". Einzelnes wird deullichci' besehrieixMi. Man erfährt z. B., dass d«'r Schneider drei Ti'ciipcn hoch wohnt: sehr vor- sichtig zeigt er sich beim Einkauf: „er besah alle Töpfe, hob sie in die Höhe, hielt die Xase dran und sagte end- lich" . . . Seine Behendigkeit wii'd noch nielii' als früher lietont: er heisst ..der flüchtige Held". ..der kleine Iverl". und vergleicht sich selbst mit einem Eichhörnchen. Pralile- lisch erwähnt er bei jeder Gelegenheit, sieben auf einen Streich erschlasfcn zu haben. Jede neue Auflage der Märchen stellte eine höhere Stufe auf dem Wege der Entwicklung dar. Allerdings w\ar in der zweiten Ausgabe nach bedeutenderen Umformungen ein Grundstock geschaffen, der inhaltlich nahezu unver- ändert bestehen blieb: uui' vereinzelt griffen die Brüder nocli ein Stück heraus, das ihnen nicht recht gefiel, um es tlurch eine andere Überlieferung zu ersetzen. Aber in der Eorm zeigen die späteren Ausgaben noch mancherlei Verbesserungen. Ihr Wert besteht jedoch vor allem in der grösseren Reichhaltigkeit. Die dritte Auflage (18B7) brachte allerdings verhältnismässig wenig Neues. Am Schluss wurden Xo. 161 — 167 hinzugefügt. Xo. 43 der 2. Auflage fiel fort, und an ihre Stelle trat eine voll- ständigere Erzählung nach gedruckter \'orlage. Auch von den andern neu aufgenommenen Stücken gehen einige auf ältere Fassungen zurück. 162. Der kluge Knecht. Das Märchen erzählt Luther neben anderen A'olks- schnurren in der Ausleüum:" des 101. Psalms 'j. Die Be- ') Vgl. Goedeke, Dichtungen M. Liilliers S. 124. Palaet^tia XLVII. — 82 — iirlH'ituiii:- i'iiikIcI nur' die S;it/<- hier iiml da «-twas al». I >'i' I']iii<.MiiL;'. iliT liltri- mit i'iiicf sriit('i)'/-isic|itlicli ist (\i'V koiiiiscln' Kontrast zwischen ilcii Klaiii'ii llriir/ciis und der Wiiklirlikcjt. die dazu gar kriiii'h Anlass j^iht, in dcv IJcaiitcitnnjjf vorstäikt wordofi. |j' will seine Scjmltei'ii von der l'jiirdn der Arlieit frei maidn-n, ueln lan;^^e nut si(di zu h'iit und liiidi-t sclilicss- licli den besten Auswe«,^ in d der H]is;ibelh riiarlolt.". Bibl. d. l.it. Vereins 1843, VI, 2G8. — So — uort: ..W'ci- früh aufstellt, sein Gut verzelirt", und die l-'Jtcni der I5raiit lialtcii nichts geii'en die Heirat ciu- /iiNvt'iidfii. (h'iiii: ..(ih'ich und gleich gesellt sich gern" (Zusatz der 4. Aull.l iJcr volkstümliche Name Heinz l)liel) aus drv \'orlage, di(^ vornehmere Benennung ..Adel- hcif wuidc den Umständen entsprechend von den I^rüdern in das vulgäre ..dick(^ Trine" verwandelt. In den Worten: ..gerade wie jener Knecht, der die Kuh suchen sollte und di-ei Amseln nachjagte" haben wir einen Hinweis auf das .Mäi'chen Xo. J(i2. das auch in Xo. 174 zilieit wird. 4:>. Frau Trude. Für (his Märchen: ..Die wunderliche Gasterei", das aus mündlicher l'lierliel'erung stammt, wurde die Bearbeitung eines Gedichtes von Meier Teddy, betitelt: „Klein Bäscheu und Frau Trude" '} aufgenommen, das die grausenerregende Wirtschaft im Hause der Hexe vollständiger als die erste J'>rzählung schilderte. Der Eingang beginnt bei Gnnun warnend: ,.Es war eimnal ein kleines Mädchen, das war eigensinnig und vorwitzig, und wenn ihm seine Eltern <'twas sagten, so gehorchte es nicht, wie konnte es dem gut gehen?" Im folgenden ist der Text der \'orlage häutig mit Beibehaltung des Wortlauts in die l>earbeitung über- gegangen, nur ist diese knaijper und eilt i'ascher dem Ende zu. Die 4. Auflage steht textlich der dritten sehr nahe; um Schluss wurden Xo. 1G8— 177 hinzugefügt. 16S. Die hagere Liese. \'orlage war Kirchhofs Wendunmuth 1.371: ..Ein weil) wird nuithwillig geschlagen". Die Bearbeitung hat im wesentlichen nur Ausdrücke der populären Sprache hinzu- gefügt, z. B.: ..sie äscherte sich ab von Morgen bis Abend". ..als sit] im Bett lag und vor Müdigkeit kaum ein Glied M Franonlasehonhiicli 182:5. S. 3<)0. — S() — liiliiN'ii koiiiitf". ..lind wi'iiii du difdi iiuf d<-ii Kopf st(-'llst. du kiiciist kriiicii 'l'ropt'fu Mil(dr'. (tlicuso die litdliu der Scli(dt Worte: ., I)ii laiiir<'i' Lenz, du Xinuucrsatt. du Strick, du fauler üeiir/,". Au(di die r,ezei(diuun<.M'M: .,Li(!SO*' und ..laiiij,'er \j'\\Y/' liii' den lOlieiuanu (Vorlaj^e: (Jlausj und d(;r ]*arail(disnius in or alles niclit.s, sie liatl(.'ii ni(dds und kamen zu nielits" sind volkstiiinlicli. lu der Aiisuiaiiiii;:' sie am andein .Moriien loittuln' zu zanken, oder ol) sie ausginii'. den (liildeii zu suelien. {l(;n sie finden wollte, das Avoiss ich nielit"-. während die N'orlao'e moralisiert: ..Sicli /.linken niii das man nicht hat. Setzt g'cwis.se schmerzen an (iie statt." J70. Li(;l» und I.eid teilen. Eine Bearbeitung des Wickramsclien Schwankes: ..Einer leidt mit seiner frawen lieb und leidt" '). Die Be- arbeitung bringt nur formale Änderungen. Wie in andern Märchen, wird dei' zänkische Schneider auch hier mit Humor und Laune gezeichnet: er läuft seiner Frau ,.mit der Elle und der Schere" nach und verteidigt sein rohes Benehmen ihr gegenüber mit den scherzhaften Worten: ..ich habe ihr nur. weil sie so wunderhch aussah, die Haare mit der Hand kämmen wollen (.,ich habe sie nur ein wenig bei dem Haar wcHUmi ziehen'') und hal)e, damit sie zu ihrer Pflicht zurückkehre, als eine gutgemeinte Erinnerung nachgeworfen, was mir eben zur Hand war" (..do bin ich ihr nachgeeilt, nach iiir mit benglen und was ich er- witscht hal). geworfen"). Beabsichtigter Parallelismus ist deutlich zu erkeimen in Wendungen wie: ,.packen und raufen" (erwitsclu'u), ..mit der Elle und mit der Schere" (erwitscht er die Scher). ..war mürrisch und zänkisch" (dass er mit ihr zankt). ..so tobte und wetterte er" tso flucht er) „er brummte, schalt, raufte und schlug sie'' (er schlug 1) Mdltes Ausii'abe des Kolhvat;'enbiichleius No. 17. — 87 — uiul rauft sie stets). Echt v^jlkstüiiilicli beisst es bei (ininiii: ..er sass eine Zeitlang" bei Wasser und Brot" (man legt ihn i'in /.•■ithiiii^' in gel'cnii-nus). 171. I )('!• Zau n ktiiiig'. Das Märchen, das von der Königswahl der Vfigel er- zählt, ist. wie die beiden folgenden, nach Aufzeichnungen des Pastors .Mussäus bearbeitet und staninit aus niecklen- liurgischer. mündlicher Überliefei-ung 'j. Eine zweite, hand- schriftliche Vorlage, die K. Goedekc in Lachendorf im Hannoverschen aufgenommen und (iriinni überlassen hat. kann nur formale Unterschiede oderinhaltliclie Al)\veichungcn von geringer Bedeutung gehabt hatjen. Mussäus hat die Erzählung schlechter komponiert und liringt die Worte der Tiere z. T. ohne inneren Zusammen- hang und ohne Beziehung auf di<^ i)evorstehende Kr)nigs- wahl: bei (irimm dagegen steht der Zaunkönig von Anfang an im Mittelpunkt. Die Sprache des Bäderwerks der Mühle ist, wenn man hier nicht einen Einfluss der Goedekeschen Fassung annehmen will, ein Zusatz Grimms: von Jakob gibt es ja darüber eine Abhandlung-). Den Tieren werden menschliche Eigenschaften beigelegt. Die Bearbeitung fügt den J^eispielen der Vorlage noch einige charakteristische Züge bei: ..Als es .Abend geworden war. und die Vögel von der Anstrengung beim Fliegen grosse J\Iüdigkeit empfanden, so gingen sie mit Weib und Kind zu Bett". Die grosse Höhe des Fluges wird mit anschau- lichen Bildern umschrieben: ..Der Adlei- stieg so hoch, dass er der Sonne hätte die Augen aushacken können", der Zaunkönig noch höher, ,,dass er Gott auf seinem Stuhle konnte sitzen sehen", wofür die Vorlage ein mattes: ..und über alle klafterweit sich erhebend" bietet. Durch ein beabsichtigtes Spiel mit den Ausdrücken zeichnet sich die Szene aus, wo der Zaunkönig in seinem Versteck von der Eule bewacht wird: ..Der klein(> Kerl iiuekte mit dem Kopf ') Schriften des ineeklenljiaxi.solien Vereins V'.74 11'. -) Zs. f. (loutsohps Altertum V, 511. Iicnuis. alxT die l-liilc trat irlcidi davoi-. und cv zolt den Kopf \vi('d<'r ztiriifk. I)aiiii tat dir I'jilc das t-inc Aujre wieder auf iiiid das aiidei-e zii und wfdite so die {;anze Nacht ab\V('C'li.s(dii, alxM' als sie das eine Aul'"«; wieder zu niaclite. vei'gass sie das andere autzuliin. und so bald die hoiden Auf^on zu waicn. schlief sie ein". Die Vorlajrc verzichtet auf die Wiederlnduni^: ..Stundenlang^ sass sie vor dem TjOcIic, als aber zur ^Mittagszeit die lielle Sonne ihi' in die orossen Augen schii-n, schloss sie eins nach dem andern und schlief ein'". \)r\- grösseren Anschau- lichkeit wegen vergleicht (Jrinim die Menge der Vögel mit ..(Mner schwarzen, dahinziehenden Wolke"' nnd führt eine Reihe von ihnen mit Xanicn an: ..Sie kamen alle zusanunen, Adler und Buchlinke. Eule und Krähe. J^erche und Sper- ling, was soll ich sie.» alle nennen, selbst der Kuckuck kam nnd der AViedehopf. sein Küster, der so heisst. weil er sich innucr ein paar Tage früher iK'iren lässf. In Mono- logen findet sich Personenwechsel: ..Er dachte, was willst du nocli höher fliegen, du bist doch der K(inig": ..sie dachte, ein Auge kannst du wohl zutun, du wachst ja noch mit dem andern". Erwähnt seien noch der volkstümliche Eu- phemismus: „Der kleine Vogel fürchtet, es ginge ihm an (\on Kragen" und die ßeimverbindungen: ..ein gewaltiges Sausen und Brausen", ..aus Wäldern und Feldern". Das Märchen von der Scholle (IT-Ji handelt von der Königswahl unter den Fischen. Nur die ausführlichere Schilderung der Anarchie im Wasserreiche ist ein Ver- dienst der Bearheitung. Auch hier die Beseelung der Tierwelt; wie vernunftbegabte Geschöpfe stellen sich die Fische am Ufer „in Reihe und Glied" auf. — Das jMärchen .Rohrdommel und Wiedehopf" (173) gibt eine Erklärung des Rufs der beiden Vögel. Unbedeutende Zusätze suchen der diüi'tigen Erzählung etwas aufzuhelfen. 174. Die Eule. Das Grimmsche ]\lärchen gibt im wesentlichen die Darstellung in Kirchhofs Wendunmulh 1,167: ..Von der — 80 — oulfMi ZU J^ein" wiodor, lässt aber die Ortsangabe fort. Ein paar Zusätze heben die Anscliauliebkeit: ..er ersclu'ak beim Aiil)lirk (b'r Knie. (li(! da in einer Ecke sass'' f.. er wird dieses \'og'els ji'ewahr''); ..eine von den «grossen Eulen \var aus dem benachl)arten Walde bei näelitlicber Weib- in die Scheuei' (unes Bürg'crs geraten und wagte sieb, als (b'r Tag anl)raili. aus b'urebt vor (b'ii anib-ren \'(»ii(dn. die, wenn sie sieb sdieii lässt. ein l'ni(diti)ares l_jies(dü'ei (;r- lu^ben. nicbt wieibu- aus (kun Sebbii)l'\vinkel heraus" („es ■war eine !']ule koninieii und (b)rrt sieb vor l'^irebt (b'r ancb'rn Vögid niclit wieder iiei'aus tun"). ^lit Iviicksiebt auf die Bestinuuung des Buches wunbiii einige Derbheiten (b'r \'orlage gemibiert o(b'r überhaupt verscb\vieg(Ui. Sonst aber war der T(^xt ausschlaggebend; (;r ist auch niciit ohne Vorzüge. So lindet man hier bereits die echt märchen- hafte Wendung am Anfang: .. \'oi' alten Jalii'en. als die Leute luelit wie jetzuiu! verschmitzt waren" . . .. bu'uer die si)riehw()rtliche Iledensart: ..Keiner will den Fuchs beissen". Die P>earl)eitung fügte noch (?tli(die volkstümliche Ausdrücke hinzu: ..S(jllen wir auch unser Leben in die Schanze schlagen": ,,alsü ward die Scheuer an vier Ecken an- gezündet": ..ein Ungeheuei". wie er Zeit seines Lebens keins erblickt hätte, sässe in der Scheuer und drehte die Augen im Koi)f bei'uni". Der formcdhafte Schlusssatz: .AVer's nicht glauben will, iler gehe bin und frage selbst nach", beruht auf dem \"ers dei' X'orlaii'e: „Ist einer ki'ck, zicli it ui'ii l'i'iii l'iid a'eli daselbst /.um Ijier iiiul wrin, Fraarmnuss ihn ge- labet'"): ..kam nicht das Fieber, stiess dich an, rüttelte dich nnd warf dich nieder" (..vor etlichen Jahren plagte dich ein hartes Fieber"): ..indem kam ein junger Mensch des Wegs, frisch und gesund, sang ein Lied und warf seine Aug{Mi hin nnd her" (..als ihn ein .Jüngling ersähe"). Auch die direkte Rede hndet sich häutiger als in der Vorlage. Einige Ausdrücke gehören der Umgangssprache an: ..Weisst du auch, wer icli bin, und wem du wieder auf die Beine geholfen hast?" ..Der Jüngling war lustig und guter Dinge und lel)te in den Tag hinein.'" Kirchhof gelnaucht dafiu" derbere Wendungen: ..Solcher Zusag halber ward das Ge- müt des Jünglings in Sicherheit stolz erhaben, frass. soff und schlemmt (Mii und alle Tage, dass ihn jetzt dieser, dann jener (iebrechen i)lagte". Die gereimte Schluss- moral, die ein Memento mori bringt, fehlt bei Grimm. — 91 — Die 5. Auflage (lS47j t'iir\\ i II i 11 am H rii ii ih'Ii. Nach eiiKM' Erzäliluii^' in Kietkcs Alumiiach ileutselier Volk.smärclicii (IS4(». Xo. 2). Kletke verdankte das Märelieii seinem Freunde Andreas .Seiiulimaclier in Wien uml hat nur das Verdienst, es aus dem Diah'kt ins liochdeutsehe umg"eschrict)('!i zu liahrn. Merkwürdig ist die Überein- stimnning der Vorgescliichle des .Märchens mit der bc- rülimten Exposition des „Lvünig J^ear". Die (jiänselnrtin ist eine verstossene Prinzessin. Ibr X'atcr wollte bei der Teilung" des Reiches derjenigen von seinen drei Tüchtcrn das Beste vermaclien, die ihn am meisten liebte. Die älteste hat ihn lieb wie /.ucker. die zwfntc wie ihi' schüiistes Kleid, die jüngste so lieb wie Salz. Der ergrinnnle \'ater lässt ihr einen Sack mit Salz auf den liücken binden und enterbt sie. Bei Shakespeare ist der Vorgang' ganz ähnlich. Die selbständige Haltung Cordeliens. die ihren X'ater liebt. ..wie's ihrer Pflicht geziemt, nicht mehr. Jiieht minder", reizt den alten Lear zu masslosem Zorn und er sagt sich von ihr los. Di(> Erzählung lässt sich bis zu dem fabulosen Geoffrey of Monmouth zurückverfolgen, der um IHjö aus mancherlei Üb(!rlieferungen eine Urgeschichte der Briten zusammeiisetzt(\ Die \'or]ago ist auf weite Strecken hin fast wörtlich benutzt worden; gelegentlich wurde gesti'ichen. wo sich die Darstellung etwas redsfdig in die Breite zog. Pro- vinziahsmen wie: „Ans(;hichf, „gross-hoch-langmächtig", ..feinwinzig", „stockmüde", „Müttcrle", .,P>üi'scliel". „Ue- spass", „springgiftig" u. a., die sich auch noch in Kletkes Umschi'ift vorfinden, wurden beseitigt; ebenso trat ITir das oberdeutsche Perfektum regelmässig das erzählende Im- perfektum ein. p]iuige volkstümliche Wendungen fügte man neu hinzu: „Wenns Ernst wird, so wollen sie sich aus dem Staube machen"; „ich hab dir's sauer genug gemacht"; „ihr werdet ja so rot wie ein Zinshahn". Tauto- logisch iK.'isst es: ..Was hilft iiiii' (ihm/, uml l-^hic. jr'dfii Moili'fii ('i-\v;u'h(' ich mit Sor^^cii und Kiiiiiiiht". Die M'ha|)tista Maiituaiius ') (1448— 151G) in ciini- mu 1470 uo- dielitctoii Kklo^e-). In Dcutsflilaiid ist walii'sclicinlicli schon ein iicistliches Schauspiid, von Hans Kudolf lölt; in Freibei'g' insceniert, auf ManUianiis' Einllnss ziiriick- zulühron. Sicher i,nlt (h\s von der Bearhoituiiu-. die Agricohi unter der Überschrift: „Do Athini reutte und llcva si)anii. wer was da ein Eddehnann" in seiner Spricdiwrirtrisannidun;^' 1528 bietet (No. -it.^'). .Mchinehthon, ih'r die Kabel 15:V.> seinem offenen Brief an den (Jrafen .bdiaun i\'. Non Wied eingefügt hat-'i, änderte sie wesentlich um. .Mantuann-< erzählt, dass Eva einen Teil ihrer Kinder versteckte, da sie sich schämte, eine so grosse Anzahl geboren zu haben. Bei ]\Ielanchlhon werden die Kinder verborgen gehalten, weil sie hässlich und schmutzig sind. \'or allem aber macht er die Verschiedenheir der Stände abhängig von eintMu Katechismns-Exameu. das der ileri- mit Evas Kindern anstellt, und h-gt nachdrücklich so seine pädagogische Tendenz an den Tag. Der fromme Abel, der sich sein- beschlagen in protestantischer Dogmatik zeigt, wird reich gesegnet: Kain dagegen ist störrisch und widerspenstig um! nmss sich mit dem Bauernstande begnügen. Die von Melanchthon geschaffene protestantische Legende be- arbeitete man im !(!. und 17. dahrhnndert ungemein häutig, und zwar in den verschiedensten literariscluMi l'^ormen. Unter den zahlreichen Bearbeitern des 10. .Jahi'hunderts steht in der ersten Keilie Hans Sachs, der die Legende von Melanchthon entlehnte und viermal in J\eime gebracht hat-'i, als -Meistergesang, Eastnaclitspiel. Komödie und 1Ö58 als Schwank'^). Nur dieser kommt als Grimms Vor- lage für uns in Betracht. Er ist unter den Bearbeitungen des Nürnberger Poeten als die gelungenste zu bezeichnen. 1) Nachweis Boltes, Schumaans NachlbüclihMii S. 4n;>. 2) Z. T. abgedruckt bei Bolle S. 372 f. •') Corpus refoi nialoi'iim 3.053. •*) Vgl. Michel, Heinrich Knausl S. 30. ■'•) Schwanke eil. Cioolze I, li)4. - 94 — Aul die Irin Iwittr K;itiM|iisiiiiis|iriiriiii;.'^ wiirl vi-rzirlitot. und so tiii^^t (las (Jaiiz«' <'inf'n (•iiilicitliclM'ii ( 'iiarakter. \'<»r ailfMii alxT kommt dci- |tt;ii-'^ aul'sWort: riiii' an zwei Stadion wiifdcii kiiizc Sätze iiitcjpolicrt. Die \Vf'iiduii;r am Anfang': „Adam hackte; da« l''
tammt dei- JiL>arbeitunei der Beschreibung- der schmutzi^'-en Kindersebar schwelgt Hans Sacli.s in der \'erwenduni,^ von charakte- ristischen Adjektiven; V. 104ff. : „lOin unflelig gestrobelte rott, (irinliji' und lausig, zottet und kue.sig, Zerliadort, ge.schmützig und ruesig Grob, ungeschickt, dolpet und dötschet. Schlüclilig. on zuecht ])ä\vriscli und lüt.-^ciiet." (Irimm mildert etwas: „die ganze grobe, schmutzige. giindige und russige Schar". Die Angabe des Verstecks der Kinder ist aber in der Umschrift absichtlich in die Länge gezogen: für jedes der zwölf Kinder weiss er einen Platz zum Unterschlüpfen zu nennen. Die lange Schlussmoral der Vorlage (V. 195 — 22i2\ die sich des ^veitoren über (lOttes segensreiches Regiment auf Erden ausspricht und vor t'berhebung und Unzufriedenheit warnt, bliel» weg. 181. Die Nixe im Teich. Xach einer Erzählung von ^NForitz Haupt aus der Ober- lausitz-). Die Grimmschen Änderungen beschränken sich 1) Vgl. Zeilschrift f. deutsches Altertum 11^63. 2) Ebenda 1,202 IT. — 95 — auf L:('ringfii<2:iL;"0 Zusätze. Die Bescliirihmit: der Landscliaft jidit mclir \n< ncsoiidcre: di(3 Wassi-fiiixe w'wd hestiiiiiiitcr jiozeicliiirt : ..rr crldickto ein sclifincs Weil), das sich lau^- saiu aus dein Wasser ciliol): ihre langen Haare, die sie über den ."^eliiiltern mit ihren zarten ]län(h'n gefasst hatte. Ilosseu an beiden Seiten herab und be(U?clvt(Mi ihren weissen i.eib" (..da stieg eine weisse Frau daraus hervor"). Ein- mal Nvii-d auf einen alten Volksaberglaubcn angespielt: ..Den Knaben selbst Hess ei- nicht in die Nähe des Wassers. Hüte dich, sagte er zu ihm. wenn du das Wasser berührst, so konnnt eine lland heraus, liaseht dicli und zieht dich hinab". Die N'olkstümliehkeit des Ausdrucks ist z. T. ver- stärkt (lureli den Paralleiismus einzelner Redensarten: ..Sie ti'ieben iliif Herden durch Feld und Wald", odei' allite- lierend: ..es war. als ob Kisten uiul Kasten von selbst sich füllten". Das Märchen vom lliesen u nd Sehn eider (183) ent- hält den Druckfehler: ..sich in dem Wald umzuschauen" (..si in da Wiild [Wclt| umma zu schauen") und den un- verständlichen Satz: ..Warum nicht lieber gleich tausend auf einen Schuss. uiul die alle hierher?" (Vorlage: ..... und
  • cn. (mii iscn ein vos. ein rus ein man, ein man ein burcli. ein l)ui'rii ein lanf-i. Der Eingang: ..Wer im Kleinen nicht Sorge trägt, muss im Grossen Schaden leiden. Das erfuhr auch ein Kauf- ') l-"ranz Ziska, ( )steiTeieliise]ie Volicsnjärelieii 1822, S. 9 IT. -) MüilenlKiir-Selicrer Deiikm. I. Xu. 40.0. — \H\ — \\rw. (Irr Ulli eines selileelitei) .\;i;.'-els willell «'ill SCll<"nies ivoss \ cilor". IVlilt liei (ii'iiiiiii. Hill ilii' SiciiiiiiiiiL'' nicht L''l<'icli ;uii Anriiiii: aury.iilicbcii. Statt der Trope: ..wolil- liepiiekt mit (ii|(| lind ( ie|(ls()r;^M'!i'' selii'eiht die I>eail)eitiiii;r \ i»lksliiiiili( lief: ..ei' hatte ^eine (iiddkat/.e mit (inld und Silher L;-espi(drn liegnügt sich mit ilcr alli;uni('im'ii An^'alx': ..das Olewfibo war so srlMiii iiiul icicli an Silhcf iiiid (lold. dass nichts Kost- harci'cs ^•(d'undcii werden inai;- in allen Köni-y >i'li ül"'! dri' |-'rde iM-lindet. Der Schhiss der Vorla^i-, wonaeli liauer nnd Teiil'.'! ver- suchen, wer am meisten Hitze ertraj^en könne, wurde als ., schlecht erdacliL'^ fortgelassen. Beide setzen sieh in ein stark geheiztes Zinnner. der Bauer weiss sich aher durch eine geheime (jffimng Kiihhintr zu verschallen. Einen andern Schluss bietet MüUenhoff j. Die Bauerfrau zeigt dem Teufel, als er zu ihr kommt, einen Riss im Tisch mit den Worten: „Da hat mein Mann mit dem Nagel seines kleinen Fingers diesen grossen Riss (luer in meinen schönen, eichenen Tisch gemacht". Und als er weiter hört, da.ss sich der Bauer beim Schmied die Nägel schärfen lasse, macht er sich eilig davon. — (Jber den Stil ist wenig zu sagen. Ähnlich wie die Vorlage, nur etwas zierlicher, beginnt auch Grimm: „Es war einmal ein kluges und verschmitztes Bäuerlein, von dessen Streichen viel zu er- zählen wäre: die schönste Geschichte ist aber doch, wie er den Teufel einmal dran gekriegt und zum Xarren gehabt hat". („Den Teufel hat einmal ein Bauer schön dran gekriegt und zum Narren gehabt: wenn ihr die Geschichte hören wollt, so will ich sie euch erzählen"). Mit der sprichwörtlichen Redensart des Bauern: „So muss man die Füchse prellen'" schliesst das Märchen bei Grimm bündig ab. 186. „Die wahre Braut" ist ein lausitzisches Kindermärchen nach Haupts Zeitschrift 11.481 — 86. Die Grimmsche Bearbeitung erzählt bisweilen ausführlicher und bestimmter. So wird z. B. das Wunderschloss, das die Fee errichtet, sehr eingehend beschrieben. Wertvoll an der Schilderung ist die poetische Belebung der Sprache M Sagen, Märclien und l.inliM- aiisSclileswig-Holsleiu elf. S."27n. — 99 ~ uimI eitelen und Stein auf Stein legten. Dei' lindm (hrdinte. grosse Säulen stiegen von selbst in die Hrdie und stellten sich neben einander in Ordnung, auf dem Dach legten sich die Ziegel zur.eclit" usw. (Trimm weiss genau mit der Einrichtung der Küche Bescheid: ,.Aber das Feuer brannte auf dem Herd, in den Töpfen kochten die Speisen, Kluft und Schippe waren angelehnt, und an den Wänden das blanke Geschirr von Messing aufgestellt. Nichts fehlte, selbst nicht der Kohlen- kasten und die Wassereimer'. Die Pracht des Schlosses wild auch ferneiliiii noch stark hervorgehoben, z.B.: ,.Ks wusste sich in der ersten Zeit gar nicht in seinem (llück zu finden, schöne Kleider hingen in den Schränken, die TiMiheii waren mit (Johl und Silber oder mit Perlen und Edelsteinen angefüllt, und es hatte keinen Wunsch, den es nicht (M-füllen konnte: überall war eine Pracht, als wenn ein l\()nig einziehen sollte: als sie in das Schloss eintrat, musste sie die Hand vor die Augen halten, so blendete sie der dlanz." Die Eigennamen „Lassmann'" imd „Helene" wui'den als M()(leiiiisi(M'ung gestrichen. Die .,Fee" ist (wie in NO. i:}(i) in eine alte Frau verwandelt. Der Schluss der Vorlage erwähnte kurz die Verbindung des jungen Paares. Bei Grimm ninmit auch die Natur an dem Glück der Neuvermählten teil: .,Als wäre der Wind vorgespannt", heisst es, ..so eilten die Pferde zu dem Wunderschloss. xAls sie an der Linde vorbeifuhren, schwärmten unzählige Glühwürmer darin, sie schüttelte ihre Äste und sendete ihre Düfte herab. Auf der Treppe blühten die Blumen, und aus dem Zimmer schallte der Gesang der fremden Vögel." 190. Die Brosamen auf dem Tisch ist eine wort- getreue AViedergabe der Vorlage (Haupts Zeitschrift für deutsches Altertum Ill.:^,6). Mm r.»l. I)"'i l.'iinItiT iiml seine Sühne. Das Mjtrclien wiinle mir in .: ..da verwandelte sit- den ältesten in eiin-n Adlei', dei- ninssle aiil' einem l*'eIs(Migf*l)ir^»' hangen, und niati sali ilin inamlinial am llimmtd in «grossen Kreison auf nnd nie(|n ähnlifdier .\i-t sind noch einige andere l^]rweiteriintjen. Der Satz: ..dass liir den vieiundzwanzii:st(.'n noch ein Kehl iihri^' sei" wiid volksmässi^'cr tautologiscli aus(lie und z(Mtliiig. soll nicht i;(deu^nel werden, ahoi- nur ticuc I'herlieh'i-une; konnte den l*>rzähhin^('n ^esehiehtlicheii Wei-t verleihen, nml einen lieitra<;" zur deutschen Mythologie und Literatur^^es(diichte wollten die Brüder ja in erster Linie liefern. Bewunderns- wert aber ist, wie sie die Forderung; erlullt haben, grösste Treue mit kunstvoller Darstelluni:" zu vereinii;en. Wie Herder für die Kunst des Volksliedes, so waren die Brüder Grimm für die des Märchens mit feinstem Gefühl begabt. Auf Grund reicher Beobachtungen an mündlichen Er- zählungen und eines umfassenden Studiums anderer Märchen- literaturen schufen sie die dem deutschen Volksmärchen gemässe Kunstform. Sie hielten an der Originalität und Schönheit der lehendigen Volkss[)rache fest: sie wollten nicht selbst poetisieren. sondern Volksdichtung wieder- erzählen und nicht üi)er das Volk, sondern mit dem Volk lachen und scherzen. Deshall) suchen wir in den .Märchen vergebens nach persönlichen Motiven der Verfasser: es wäre verlorene Mühe, daraus Rückschlüsse auf die Denk- weise und Anschauungen der Brüder zu ziehen — wenn man sich nicht mit einem ganz allgemeinen Resultat ihrer reinen Andacht begnügen will — . während es ein Leichtes ist, wichtiges Material für die Beurteilung der Pei^sönlich- keit eines Musäus, eines Tieck, eines Brentano aus deren — 100 — Aljiivlini zu sclitipfcri, I );i;:o^<'ii z<'i^"i'ii uns die Kimlor- imdllaiisniärclioii iiniivscliiiiiiikt (lrii( 'li;ii';iktor (IcsdoiitsclH'ii \'(dkos älinlicli wie die Volkslifdcr. Zwar ist die Lyi'ik iiiiinittclliarcf und :;t'\välirt dw trciKTi-s lÜld als Prosa- ('rzäldiiiiui-ii. aber auch dcifn (Icstalti-n sind iiidit will- kiii'li(di licwählt. soiulci'ii Si)ie;4elltil(l('i' der \atii)n. und in di'ii pliaiitastisclien I'''iii'ur(Mi ist ein iiut Stin-k wirklicher N'olksanscliauiuiti- nicdergole^t. Dadurch sind si(3 als QucHcn liir die JJeurteiluni;- des Xationalchaiakters wichtig". Hierauf hatte schon Herder hingewiesen; in seinem Sinne hal)en die Brüder (Trimm gearbeitet. Auch sie wissen den scharf zu tadehi. der mvtionale Dichtung mit eigenen Ideen ver- mische und dadurch seinem 'Volke etwas entzieiie '). Alle stilistischen Beobachtungen, die sich aus der Verglciehung der Vorlagen mit den Bearbeitungen ergeben. lassen sich in reichem Masse auch bei den mündlicher Tradition entnommenen Stücken anstellen, woi'aus um- gekehrt erhellt, dass diese für die Stilisierung der schrift- lichen Vorlagen massgebend gewesen sind. Im folgenden soll durch eine Übersicht die .Methode der( lrimmschenBearbeitun;.i- in allgemeineren Bestimmungen klar gelegt werden, als es bei der Einzelbetrachtung der Vorlagen möglich war. ,,Hat auch das .Märchen seine Hegel?"' fragt Herth'r'-). und er gibt die Antwort: .. l'lxd. wenn es solche nicht hätte, da bei seiner tiefen Einwirkung auf die Seele des Menschen, bei seinem noch tiefern Grunde in unsrer Natur es ein ungeheures Mittel zu Bildung oder Missbildung menschlicher Gemüter sein kann." Tn den meisten Fällen beziehen sich die Änderungen der Brüder bloss auf die äussere Form: sie bildeten ge- gebene Eigentümlichkeiten nur noch weiter aus. Sehr selten haben sie ein ^lärchen neu geschaffen oder so tief- greifend umgestaltet, dass seine Verwandtschaft mit der 1) steig-, A.V.Arnim 111,268. -) Früchte aius den sog. g'oldencn Zeiten des aehtzeliiiten .Jahrluindei't.-^, Xo. G. Suplian 23, 273. 1!0 — \'oii;i)^^' Ulli' scliwci' nrUfriiiliar wiirr. Niiiiii'htlicli ;.qlt das von (Icfi StiickfMi. die für die I. Aiilla^i- Ijcnut/i wiinh-n: 'liri' lialx'ii sie soinfiihi't. Wenn Tiefk im ..(iostiolellcn Katei" den Köniir stets mit Ki(tne und S/cptei' aiil'li'elen lässt. so hat er damit die Alt. wie das Märcdn'ii cliarakli-risieit. jriit ^^e- tiolt'en. In eciit poetisclifi' Weise woi'den nur wenige l)e- zeichnende ZüLie lieraus^-eli<)l)en. sonst erzählt mau so all- gemein wie mTiglich. (Ifirres hatte ganz recht, wenn ei- die Stelle: ,.l^]s war einmal ein gewisser Kfinig" (1,571 iinmärehenhal't fand 'L da das Mäielien dieses hestimmende lieiwort ni(!nials liraiK-he. Die weihliehe Schönheit wird, wie im X'olksliede. mit sparsamen, typischen Woiten beschrieben. ( )t"t genügt die Bezeielinnng „wunderschön": daneben ersciieinen cha- rakteristische Hyperbeln, wie: „die Tochter war so scliön. wie ihr auf der Welt eine tinden könnt", „schöner als noch jemand auf Erden gewesen war". .,dass kein Maler sie hätte schöner malen können" oder formelhafte Wendung<'n wie: „es stralilte in seiner Schönheit wie der helle Tag"". ..das schönste Kind unter der Sonne'" usw. Von anschau- licher, poetischer Kraft sind in der Beschreibung die Bilder aus der Natur. .Mehrfach sind die ausführlichen Schilde- rungen der \'orlagen beschnitten, dafür abei' mit wirkungs- volleren Farben ausgestattet worden. Anstössige und frivole Stelleii wurden ausgemerzt. Ohne Prüderie aber nannte man natürliche menschliche Verhältnisse und Zustände bei dem rechten Namen. Denn das Kind kennt in seiner Xaivetät keine andere Ausdrucks- weise; seine natürliche Aufrichtigkeit, die jeden Schein von Falschheit verachtet, setzt sich über alle künstlichen Bedenken hinweg. Auch hierfür haben die Brüder erst durch ihre Sammlung Verständnis erwecken müssen bei ') (iJlrrt's. l-'rcunilcsl)ri<'|i" Ill.iid. — 113 — niaiichfii, dir aus üIxTfi^rosser X'orsiclit ümsclireibungen und doecntc \'<'iliiilluiigen lieber gesehen hätten. Die Spraciic des iMiirchciis ist wie die des Volks- liedes siuulicli. klai'. anschaulich, lebendig". Alle blassen, abstrakten JMlder und Gleichnisse wurden in der Dar- stellung gemieden; lih- das sehende Auge, das lauschende Ohr erzählte man, nicht für den abstrahierenden Verstand. Allegorische, mit Metaphern ausgeschmückte Prosa ist in echten Kindernlärchen undenkbar. Xur höchst selten hat Cirimm von Tropen Gebrauch gemacht und wählt auch dann einfache, dem Fassungsvermögen derKindcr angepasstc Bilder. Wie im VolksHede dienen konkrete Dinge zur Umschreibung von Abstraktionen, denn die Sprache des Kindes ist wie die des Volks arm an al)gezogenen Allgemein- begriffen. Die Fremdwörter wurden als unverständlich gestriclien oder verdeutscht, ausser wo sie formelhaft auf- treten, wie etwa im „Doktor Allwissend" (98), Auch die Soldatensprache ist mit Recht durch Beibehaltung des Fremdwortes gekennzeichnet. Wie peinlich man auf Ver- deutschung drang, ergibt sich auch daraus, dass z. B. fast jeder Prinz und jede Prinzessin der ersten Auflage in der zweiten als „Königssohn" und ,. Königstochter" auf- treten '). Gegenüber den Streichungen treten die von Grimm genuichten Zusätze sehr viel stärker hervor. Kaum ein "Märchen, das nicht durch eine geringe Erweiterung an künstlerischer Porm gewonnen hätte. Begreiflicherweise überwiegen ganz bedeutend die Beifügungen in populärer Sprache. Dazu gehören allgemeine Redensarten des Volks. Die Vorlagen versäumen vielfach das derbe, bürgerliche Element der Märchensprache. Unter den Rede- wendungen sind besonders auffallend die zaiilreichen Euphemismen. Üble Dinge mit unschuldigeren Ausdrücken zu umschreiben, ist ein alter z. T. abergläubischer Volks- brauch. ') Daneben auch andere Umschreibung'en wie Liebster, Bräuti- gam, Sohn — Jungfrau, Liebste usw. Palaestra XLVII. 8 — 114 — ort weiden Spiicli \v»)rt er in die h'erl«^ einKcflochten. (Icriti der Liicoiii-iiuis des ^omeiiien Manru;s führt ^frn DrviiteiwfMslieit im Miuide. F^jirie |»asseridf! Sciitonz ist wie ein Maclitspiueli, der jede Iani(e! I}e\veisriiliriiii;_' iiber- lliissig macht. Zumeist drücken sich aiieli hei (iriniin nur Personen niederen Standes in sprieliwruthcdii'n Wendnnjren aus. Schlagende, prägnante Kürze ist also in Volks- märchen ebenso am Platze, wie die weicheren Linien liebevoller Ausmalung. Ein echt volkstümliches Gepräge erhält der \'ortrag durch die Verwendung von Tautologieen. Diese sind teils gereimt, teils alliterierend, liaben also sprichwörtlichen Charakter und eine feste, altüberlieferte Form. Die Märchonsprache liebt musikalische Klangfiguren, wie ja der mündliche Vortrag gern formelhafte Ausdrücke ge- braucht, schon um das Gedächtnis zu unterstützen. Ab- gesehen von Keimzcilen. wie sie nicht selten auch in den aus mündlicher Tradition entlehnten Stücken auftreten, sind es die schallnachahmenden Worte, die der Sprache die natürliche Frische verleihen. Der Ton wird teils durch Worte umschrieben wie: „trippeln und trappeln" (87). „was rumpelt und pumpelt in meinem Bauch herum" (5), teils hören wir ihn in Form einer lautmalerischen Inter- jektion: die Katze schreit: miau! miau! die Gänse schnattern ihr ga! ga! die Frösche ihr ak! ak! oder (luak! usw. Die Kinder lieben es ja, die Stimmen der Tiere nachzuahmen. Die Einflechtung zweiteiliger Redefiguren gibt dem Vortrag poetische Färbung und rliythmische Gliederung und dem ganzen Satzgefüge dadurch, dass die zweite Reihe meist einen gleichen oder ähnlichen Gedanken ausspricht wie die erste, einen gewissen Nachdruck. Nicht selten steigert sich die schlichte Erzählung zum Halbgesang einer Deklamation mit Wiederholungen und Reimsprüchen, wie z. B. in No. 30, 32, 38. Poesie und Prosa sind in glücklicher Mischung vereinigt. Durch häufigen Gebrauch s3'nonymer Gedankenverbindungen erhält die Darstellung die ruhige Breite. Herder vergleicht die Synonyma treffend — 115 — mit den guUlriirn Apk-lii dt'i' Atalantf; es sind kiinstleriscii wirksame Ruliepunkte der Erzählung. Während das Volks- lied sprunghaft von einem Motiv zum andern, von einer Situation zur andern eilt, was nicht hloss auf unvollkommene und zersungene Überlieferung zurückzuführen ist, haftet das Märchen gern am Ort und geht in der Darstellung nur schrittweise vor, auch das Wunderbarste behaglich vermittelnd. Seiion der Anfang so vieler Märchen kann als Beispiel für ilirt; l)e(|ueme Erzählungsweise gelten: „Es war einmal ein X., der" . . . Statt den Gedanken in einem Haui)tsatz auszudrücken, wird er auf Haupt- \ind Relativsatz verteilt, dessen Pronomen i\(n\ bereits erwähnten Begriff noch einmal aufnimmt. Anspielungen auf volk.stümliches Cic meingut (andere Märchen, Aberglauben u.dergl.)sin(l verhältnismässig selten. Zu billigen ist, wenn z. B. ein Soldat das Märchen vom „(Iruseln lernen" citiert, odei' wenn auf den „grossen Butzenmann" als Schreckgespenst verwiesen wird (90): anstössiger wohl, wenn zwei unbekanntere Erzählungen ganz äusserlich auf einander bezogen werden, wie No. 168 auf das Märchen vom faulen Heinz (I()4). Unmöglich kann das Märchen in dieser Form wirklich „erzählt" werden. Der Zusatz in Xo. 168 erklärt sich zwar leicht aus der Nachbarschaft der beiden Stücke, schädigt aber die Selbständigkeit des Märchens. Es ist Literatur. Dramatischer belebt wird die Erzählung durch häutige Anwendung der direkten Rede. Die Vorlagen geben oft nur eine zusannuenfassende Inhaltsangabe, wo hier in anschaulicher Wcchselrede die Personen vor uns auftreten. Man meidet, wie die einfache Volkssprache, die indirekte Verschränkung der Sätze und führt schon aus Bequeniüch- keitsgründen lieber die Worte in ursprünglicher Gestalt an. Ebenso erhöhen zahlreiche Interjektionen die Kraft des sprachlichen Ausdrucks; auch werden Anreden gern mit einem Vokativ eingeleitet. Bisweilen wird durch Einführung des Besonderen die Wirkung gesteigert: so bedient sich der Soldat der Sprache seines Standes, der — 1 1 r, Schneider ;;r\vissri- l-'ui iiiflii (|(t I laiidweiksspraclie. und der Isr'fudit spiiilit sein Jiidendeiiiscli. Xunion sind in Miindien s('lten, eino individuelle X;un(!nj^obun<^ lelilt iil»eiliaii|)t. Xui' Vornatnen, \vi(; sie in lündlichen Krcison iihli(di sind. /.. IJ. Il'jn/.. Ihms. Trine, (Jrete. Ti'iide usw. diildeto man odei' Ki^ite sie hinzu, wo sie fehlten. Moderne oder willkürliehe Xannui wie „Kriih- ling", „Hans Wohlgemut", „Lassmann". ..Helene" wurden gesti'iehen, der Name eines Prinzen „Henjamin" aus- drücklich auf die Bibel bezogen (9». Dem V'olksbrauch entspricht die Beifügung eines stehenden Adjektivs, z. B, der faule Heinz, der lange Lenz, die dicke Trine, Fenmand getrü, das kluge Gretel. Zur Unterscheidung von andern Personen gleichen Vornamens dient ein charakterisierendes Beiwort, nicht etwa der volle Geschlechtsname. Überhaupt sind ja Bezeichnungen, die vom Ausseren, der Beschäftigung, dem Temperament der Personen hergeleitet sind, sehr be- liebt (Drosselbart, Däumling, Rotkäppchen. Bruder Lustig, Spielhansl, Meister Pfriem usw.). Dazu gelifiren aucii Be- nennungen wie Rotfuchs, Quakfrosch, Pudelhund, Göckelhahn, Rotkopf, Piephuhn oder scherzhaft umschreibende Namen: Hautab, Halbaus, Ganzaus (2). Tannendreher, Felsen- klipperer, Duckmäuser, Kratzbürste (166). Bemerkenswert sind ironische Benennungen: der gescheite Hans (32), die kluge Else (34). Die der Technik der Volkspoesie eigentümliche Art, Züge und Wendungen zu wiederholen, ist sehr oft zu finden (vgl. namentlich No. 32 u. 34). Ähnliche Vor- gänge werden mit denselben Worten erzählt, z. T. schon aus dem Grunde, weil der einfache Mann oft nur über einen Ausdruck verfügt. Auch haftet der Gedanke noch an dem bereits Erzählten, die Worte klingen im inneren Ohr nach. Die Wiederholungen erweisen deutlich, dass die Geschichten nicht bloss für das Auge des Lesers ge- schrieben sind, sondern für das Gehör den Rhytiimus und den natürlichen Tonfall des gesprochenen Worts beobachten, während die Verfasser der Vorlagen recht oft sich gar — 117 — nicht in dif Kolle eines wiikliclicii Märchenerzählers hinein- versetzen und nur ein Lesestück liefern. Der kindliche Sinn aljer verhin<^t, diiss ein wiederholter Vorji'ang ebenso erzählt werde wie das erste Mal, wie er sich auch ent- täuscht fühlt, wenn dasselbe Märchen, wiedererzählt, in einzelnen Punkten abweicht. Es sei hier auf eine charakte- ristische Stelle in Goethes Werther verwiesen, wo auf diesen Punkt aurinerksani gemacht wird: „Die Kleinen verf()li;teii mich um ein j\lärehcn, ich erzählte ihnen das Hauptsti'u'kchen von der Prinzessin, die von Händen be- dient wird, Irli lerne viel dabei, und ich bin erstaunt, was es auf sie für Eindrücke macht. Weil ich manchmal einen Incidenzpunkt erlinden muss, den ich beim zweiten Mal vergesse, sagen sie gleich, das vorige Mal war es anders gewiesen, so dass ich mich jetzt übe, sie unver- änderlich in einem singenden Silbenfall an einem Schnürchen weg zu rezitieren." Schon bei der Übersetzung der Alt- dänischen Heldenlieder (Vorrede S. XVI) machte Wilhelm Grimm auf diese stilistische Eigentümlichkeit aufmerksam, und im Vorwort zu den Märchen heisst es: „Wieder- holungen einzelner Sätze, Züge und Einleitungen sind wie epische Zeilen zu betrachten, die, sobald der Ton sich rührt, der sie anschlägt, immer wiederkehren und eigent- lich in einem andern Sinne nicht zu verstehen'" (S. X). Ebenso wie Prosasätze werden auch Reimworte wieder- holt. Es sind „geilügelte Worte", die, einmal ausgesi)rochen, leicht und bequem über die Lippen eilen und auch so auf- genommen werden. Schon die Wiederholung darf als Beleg für das be- stimmte Symmetriegefühl des Märchens gelten, in dessen Aufbau die primitivsten, darum aber auch wirksamsten ästhetischen Gesetze zu finden sind. Besonders tritt das Spiel mit Zahlen hervor. In der Volkspoesie sind diese ül)erhaupt von gewissem symbolischem Wert. Heilig ist die Drei-, Sieben- und Zwölfzahl, die vielleicht schon aus religiösen Motiven festgehalten wurden. Aber auch rein äusserlich macht sich die Vorliebe für zahlenmässige UM — ( Jiii|»|(i('riiii;4' L'''lt<'iMl 1111(1 li;it auch auf dii- ('(unpositioii (Irr Mürclicii Miiitliiss aiis^rciilit. Sehr liäiili^' trottMi drei IN'CsoiH'ii im Mäi'clH'ii auf. tiiitci' (Iciim iiiiiiici- dit; dritte den \'<»naiij^^ voi' di-ii amlci'ii :ii'\viiiiit: dt-r jüngste; Jiruder ist (Irr kliijiste und uiiisiclitiL'"st('. di<; jüngste Scliwestci' die lirhcnswiirdigstc und schönste Aller guten Dinge sind drei: etwas Grosses wird zweinuil V(!rgeljens versucht, das (li'itte M;d gelingt ist du auch auf der Hochzeit ge- wesen?'' usw. (84). oder dcf lOrzählef wünselit. ..er war auch dal)(!i j^ewesen'" (134), dcmn .,wer daltei L-'ewesen. der ist nicht hungrig nach Haus gegangen" (11,43). Mit frohem Ausblick in die Zukunft heisst es dann wohl: ..Nun leisten sie vergnügt, und es ging ihnen wohl bis an ihr lOnde" (85), oder frommer: ,.nuii lebten sie froh so lange es Gott gefier*; „und ob sie noch leben, das steht bei Gott". Humoristisch klingt: ,,L'nd wenn sie nicht gestorben sind, leben sie heute noch". Nach der Anschauung des Märchens gehört nun (Mnmal langes Leben undReichtum zum glücklichen, irdischen Dasein. Selten fasst der Inhalt sich in einer (sprich- wörtlich gehaltenen) Moral zusammen, z. B. : ,.Eile mit Weile" (184), „so geht's aber den Hochmütigen" (97); „du wirfst das Beil so weit, dass du's nicht wieder holen kannst" (72). Beliebter ist der persönliche Märchenschluss. in dem der Erzähler sich unmittelbar an seine Zuhörer wendet. Auch hierfür bietet unsere Samndung einige Beispiele. Besonders bemerkenswert ist die Art. sich auf Gewährs- männer (Grosseltern) zu berufen, denen man die Geschichte verdankt i^z. B. No. 179). Auch der Anfang leitet ähnlich ein, z. B.: ,.Disse Geschieht is lögenhaft to verteilen, Jungens, aver wahr is se doch, denn mien Grotvader, von den ick se hew, plegg ümmer to seggen" .... Ganz all- gemein heisst es: ,,Un we dat lest verteilt het. den is de Mund noch wärm" (113) oder: ..wer s wüsste, könnte viel davon erzählen". Bisweilen gesteht der Vortragende am Schluss, selbst nicht mehr zu wissen: „und ob sie noch da schweben, <) Freundesbriefe S. lS9f. — 121 — das weiss ich nicht" (90), oder er gibt rückblickend ül)er gewisse unanfgeklärte Punkte des Märchens Bescheid. bYage des Kindes und Antwort des Erzälilers sind hübsch beisammen in folgendem: ,, Führt er wohl noch? Was denn? Es wird ihm niemand die Stange abgenommen haben.'" — .,Wo ist aber die Ziege hingei^ommcn. die schuld war. dass der Scliiit'ith'r seine drei Söhne fortjagte? — Das will ich dir sagen'' . . . {'M]) — ., Warum hat aber der Fuchs die armen l*iei)hühner zu fressen kriegt? — Ei, du Narr, deinem Vater wird ja wohl sein Kind lieber sein als die Hühner auf dem Hof"' (45). Gewöhnlich duldet nur der Schluss ein direktes Hervor- treten des Erzählers: im Verlauf des Märchens selbst wird die objektive Darstellung festgehalten. Einzelne abweichende Fälle sind nur als Ausnahmen zu betrachten, z. B.: „da lebte Allerleirauh lange Zeit recht armselig; ach, du schöne Königstochter, wie solFs mit dir noch werden". „Nun weiss ich nicht, ob sie sich so dick gegessen oder ob sie so ül)ermütig geworden waren'" (10), oder man stellt mit- unter eine rhetorische Frage: „Das Mädchen kehrte den Schnee weg, und was glaubt ihr wohl, was es gefunden hat?" (13) „Aber was meineder, wer isch das gsi? D" Tochter selber isch es gsi!"' Allgemein heisst es: „Es kann sich jeder denken, wie ihm zu Mut war.'" Stimmung zu erzeugen, wird der Geschichte selbst überlassen, das persönliche Empfinden des Vortragenden schwebt unaus- gesprochen über dem Ganzen. Die Anschaulichkeit der Sprache wird vielfach gehohen durch Kleinmalerei: die geringfügigsten und un- scheinbarsten Züge sind den Brüdern oft die wichtigsten, und auch das Unbedeutende bekommt durch die gefällige Anmut, mit der sie es erzählen, einen anziehenden Reiz. Der sprachliche Ausdruck ist zart bei der Darstellung kindlicher Dinge, derb in der Schilderung gröberer Ver- hältnisse. Er legt Wert auf Sachen, die dem Kinde am meisten ins Auge fallen und seine Verwunderung erregen. So gleichgültig das Märchen sonst gegen Ortstnigaben ist. — 122 — S(» ^'(Miaii ist (loch olt die licsclii'cihtiiij^ ^'(iwissLM' Sitiiatiuiicn : Zaul)('rl)aiit('ii, l.aiidscliarit'ii, Sdiliisser, liäusliclie Hiii- riclitiiiij^frii w(!t(lrii bis ins <'iii/('lii(' mit plastisclior Dcutlicli- kt'it ^M'scliildcit. (It'iin das Kind hat ciiu; FF'«;U(h' am liiiiitni und SchiiiimcnidiMi. Mit Voiliidx- vciwciidct man auch liildcr aus dem Xatuihdx'n: (he Tier- iiiid l'lhiiizen weit wird gern, iiiclit bloss in wirklichen 'riermärchcn, in den Anschauun^'s- kreis hineingezogen, wodurch dieKrzählungen einen Irischen, kräftig(^n Naturton und das (Jepräge des Echten und Un- gekünst(dten erhalten. Aber in den Märchen liegt nicht eine scnitiinentale Sehnsucht nach der Natur, diese ist für den einfachen Mann des Volkes noch nicht etwas Fremdes, sie ist noch der Urboden aller gesunden Verhältnisse. Der grüne Wald, das blühende Feld, geheimnisvolle Brunnen und (Quellen sind die Plätze, wo sich das Märchen gern ansiedelt. Wenn die Fabel im allgemeinen nur dir Tiere zu Trägern von Ideen macht, geht das Märchen schranken- los noch tiefer in das Naturreich hinab, auch die un- organische Welt naiven Sinnes zu beseelen und mit Vernunft zu begaben. Denn das Kind glaubt, dass die Dinge, die es umgeben, gewissermassen seines gleichen sind, die begehren und handeln wie es selbst. Das Wunderbare und Unwahrscheinliche ist im Märchen das Natürliche. Wirkliches und Unmögliches webt das Spiel der Phantasie launig durcheinander. Damit steht in Verbindung, dass die Brüder zwar keine neuen Wunder hinzugedichtet, aber durch poetische Belebung der Sprache das Märchenhafte der Erzählung bedeutend erhöht haben. Die tote Natur ist vielfach zum redenden und handelnden Genossen des Menschen geworden; aber man mied eine sinnlose Anhäufung von Wundern, wie sie sich etwa in den Feenmärchen findet. Auch behandelten die Brüder das Gespensterhafte und Grausige, das Wunder- bare und Phantastische nicht parodistisch wie einige ihrer Vorgänger, sondern mit der Andacht eines kindlichen Gemüts. Anerkennend erwähnt Goethe das Grimmsche Märchen vom „Gruseln lernen", das „einen Tod- und — 123 — Teufelsspuk als etwas ganz Gemeines behandele". Der Geiir Die wolff er im erwelen künd Und het sie pey im für jagliiind, Das er sicher in den refleren Wer vor den andren wilden tliieren. Nun sagen vns die gierten ])faffen "Wie das er het kain gais erschaffen. Da richtet sich der dewffel on Vnd wolt auch sein ein schöpfer fron Und macht vil gais in seinengrenczen, Zirt sie all mit langen füchsschwenc- Und wen sie gingen an der waid [zen, DelteTis dem dewffel vil zv laid, Wo sie in doren hecken gingen Mit den schwenczen sie drin pehingen. Den schlofl" er nein und macht sie los. Die müe den dewlTel hart vertros, Det in allen die schwencz abeissen, \Yie noch diestüempffdergaisi)ewey- Schlueg sie allein hin auf die waid. [sen, Der herr kam hindurch ein wegschaid, Sach, wie dio gais in weitem raüni Penagten die fruchtbaren paiim. Und sach darzw, wie die gaispück Verderbten die edlen weinstöck, Grimm. Des Herrn und des Teufels Getier. (11,02.) Gott der Herr hatte alle Tiere er- schaffen und sich die Wölfe zu seinen Hunden auserwählet; blos den Geis hatte er verges.sen. Da richtete sich der Teufel an, wollte auch schaffen, und machte die Geise mit feinen, langen Schwänzen. Wenn sie nun zur Weide gingen, blieben sie gewöhnlich mit ihren Schwänzen in den Dornhocken hängen, da mussto der Teufel hineingehen imd sie mit vieler Mühe lo.sknüpfen; verdro.ss ihn zuletzt, war her und biss jeder Geis den Schwanz ab, wie noch heut' des Tags an den Stümpfen zu sehen ist. Nun liess er sie zwar allein weiden, aber es geschah, dass Gott der Herr zusali, wie sie bald einen fruchtbaren Baum benagten, bald die edlen Reben schädiglen, bald andere zarte Pflanzen verderbten. Dess jammerte ihn, so — 12S — I)('ttcii firri pllanzcii {rff'-'^fn s<'lia(li-ii. h.-is jaiiiiM'l in :ui.s ^nittl \ iid ;,''iiutii.-n Vricl lictsclul seine woIlT an sie, Die solbiji'en zorios.son dio. So |)als er aus (Jiile und (inaflen seine Wölfe diari hetzte, die denn die (Jeisc!, HO da gingen, bald zerrissen. Wie der Teufel das vernalini, trat er l)aUl vor den Herrn und sjirach: „Dein Ge.schöpf hat mir das nie-ine zerrissen." Der Herr antwortete; „Was halt(!st du es zu Schaden er- schaffen :■"' Der TcMifel sagte: „l; gleichwie selbst mein Sinn auf Scha- den gehl, konnte, was ich erschalTen, keine ariden; Xatur haben, und niusst mirs leuer zahlen." ..Ich zahl dii's. sobald das lOichenlaub abfällt, dann komm, dein (Jeld ist schon gezählt." Als das Eichenlaub abgefallen war, kam der Teufel und forderte seine Schuld. Der Herr aber si)raeh: „In der Kirclie zu Constantinopel steht eine hohe Eiche, die hat noch alles ihr Laub." Mit Toben und Fluchen entwich der Teufel und wollte die Eiche suchen, irrte sechs Monate in der Wüstenei, eh' er sie befand, und als er wiederkam, waren derweil wieder alle andere Eichen voll grüner Blätter. Da mu.sste er seine Schuld fahren lassen, stach im Zorn allen übrigen Geisen die Augen aus und setzte ihnen seine eigenen ein. Darum haben alle Geise Teufelsaugen und abgebissne Schwänz, und er nimmt gern ihre Gestalt an. 129 — Kirchliof, Wenduiimuth 11,124. Von tlt'ss todls botlen. Man sagt, ilass aulf ein zeit ein o-rosser, starker ries den lod hab im kämpft" bestanden, darnider goschla- pen, «jantz onniiielitis" '"id kraPftlos lijJI'en lassen, welelu'n, als ihn lin jünfrliiig, der dasei list fürpenu:, sähe, hat er auss erbarninuss in trelabt, also dass er seine vorige sterck nnd gesundheit widerunib bekäme. Der- halben zn einer widergeltung diser gutthat, verspraeh der tod dem Jüngling, sintemal es vt)n gott und der natur also vorsehen, dass alle menschen sterben müssten, nnd er seiner derwegen nicht verschonen köndte, wollte er ihm docli sein end zeitlich gnug zuvor durch bottschat'l verkündigen las.sen. Solcher zusag halber ward das geniüt dess Jüng- lings in sielierheil stoltz erhaben, t'rass, sott' und scldemmet ein und alle tag, dass in jetzt diser, denn jener gebrechen plagte. Bald do er nach vielen siechtagen wider in freuden lebte, kam der lod, sagende, wie die stund seines absclieids von diser erden nun vorhanden. Jener war solcher Sachen nicht zufrieden, den tod dess betrugs, hinderlist und unwahrhaftiges verspi-echens he- schtüdigende, sintemal er keinen an- zeiger von ilun v(MTioninien. Ih», schweig still ! aniWDi'tel di-r tod. sein das nicht hotten genug? Vor etlichen jaren i)lagte dich ein hartes lieber, bald darnach ein schwereres, letzt hastu am kopIT mit schwindeln, an der brüst mit hiisten und keichen, im magen nnd gederm grossen schmertzen erlitten, deine kreffte an armen und beiiien haben abgenom- men, die haut ist dürr und runtzelichl Palaestra XI. VII. Die Boten des Todes (177 j. Vor alten Zeiten wanderte einmal ein Riese auf der grossen Landstrasse, da s|)rang ihm plötzlich ein un- bekannter Mann entgegen nnd i'ief: „Halt! keinen Schritt weiter!'' ,.Was'', sprach der Kiese, „du Wiclit, den ich zwischen den Fingern zeidrücken kann, rsj)reche ich dir. dass ich dich nicht unversehens überfallen, sondern dir erst meine Holen senden will, bevor ieh komme und dich ab- hole." „Wohlan", si)rach der .Jünp- liiifj, „immer ein tJewinn, (la.ss icli weiss, wann du kommst, un«I so Dann zoj? er weiter, war lustig und guter Dingo und lebte in den Tag- hinein. .Allein Jugend uiul (Je.sundheil hiellon nicht lange aus, bald kamen Krankheiten und Scbmerzen, die ihn bei Tag plagten und ihm nachts dio Ruhe wegnahmen. „Sterben werde ich nicht", sprach er zu sich selbst, „denn der Tod .sendet er.st .seine Boten, ich wollte nur, die bö.sen Tage der Krankheit wären er.st vorüber." SobabI er sich gesund fühlte, fing er wieder an. in Freuden zu leben. Da kloj>fte ihm eines Tages jemand auf die Schulter: er blickte sich um, und der Tod stand hinter ihm und sprach: „Folge mir. die Stunde deines Abschieds von der Welt ist gekommen." „Wie", antwortete der Mensch, „willst du dein Wort brechen? hast du mir nicht versprochen, dass du mir, bevor du selbst kämest, deine Boten senden wolltest? ich habe keinen gesehen." „Schweig", erwiderte der Tod, „habe ich dir nicht einen Boten über den andern geschickt? kam nicht das Fieber, stiess dich an, rüttelte dich und warf dich nieder? hat der Schwindel dir nicht den Kopf betäubt? zwickte dich nicht die Gicht in allen Gliedern? brauste dir's nicht in den Ohren? nagte nicht der Zahnschmerz in deinen Backen? ward dir's nicht dunkel vor den Augen? Über das alles, hat nicht mein leiblicher Bruder, der Schlaf, dich jeden Abend an mich erinnert? lagst du nicht in der Nacht. als wärst du schon gestorben?" Der Mensch wusste nichts zu erwidern, ergab sich in sein Geschick und ging mit dem Tode fort. Die Geschichte vom Einäuglein, Zweiäuglein und Dreiäuglein.') Eine Edelfrau hatte drei Töchter, die hiessen: Einäuglein, Zweiäuglein und Dreiäuglein: denn die .Uteste 1) Büschings Wöchentl. Nachricht. 1816, S. 17 ff. p] i n ä u g 1 e i n . Z w e i ä u g 1 c i n und D roiä uglei n. Es war eine Frau, die hatte drei Töchter, davon hiess die älteste Ein- äuglein. weil sie nur ein einziges Auge mitten auf der Stirne hatte, und die mittelste Zweiäuglein, weil sie zwei Augen hatte wie andere — 131 — hatte (hei Aii|;i'n. die Andere zwei Augen unil die Jüngste nur ein Auore. Pas eine bei der Jiingston und das dritte bei der Ältesten stand aber mitten auf der Stirne. D.iiuni nun, dass dir Milli'lslr nur /.wci Augen hatte und nicht um ein llaai' anders gestaltet war, als andere Menschen, ward sie gebasst VOM Mutter und Schwestern und sowohl in Kleidunj:', als p'ssen und Trinken zuriiekgesetzt. also, dass sie sehr oft traurig niul trauei'ud herum- ging, nnd die Einsamkeit ihre einzige Freundin war. So sass sie auch einst verlassen auf deni Feldraine und iiütete die Ziege, die ihr von der Mutter an- vertraut war, konnte aber nicht auf- hören zu weinen, weil sie bei der Mahlzeit abermals fast leer ausge- gangen war. Siehe, da tial eine Fee zu ihr und fragte sie liebreich, was sie so weine? Drob war Zweiäuglein froli, dass sieh doch Jemand ihrer annehme in ihrer Not nnd Trübsal, und sie er- zählte der Fee nun, wie sie zu Hause nur täglicb geplagt werde von iiirer Mutter und von den beiden Schwes- tern und hei Tische mehr vom Zu- sehen sali wei'den müsse, denn vom Zulangen. Da gab ihr die Fee einen guten Rat, wie sie durch Hülfe ihrer Ziege Speise und Trank gewinnen könne, so wie sie nur wünsche: denn so oft sie zu ihrei' Ziege sag(>n wei'de: Zicklein meck! Tischlein deck! werde das sauber gedeckteste und mit den schmackhaftesten Si)eisen und Getränken aufs beste versehene Tischlein vor ilir und zu ihrem Menschen, unrl die jüngste Drei- äuglein, weil sie drei Augen hatte, und das diitte stand bei ihr gleich- falls mitten auf der Stirne. Daium aber, dass Zweiäuglein nicht ainiers aussah als andere Menschenkinder, kouuti'ii (!s die Schwestern und die .Mutter nicht h^iihMi und sie siirachen zu ihm: „Du mit deinen zwei Augen bist nicht hesser als das gemeine Volk, du gehörst nicht zu uns" und stiessen o.s herum und wartVai ihm schlechte, alte Kleider hin und gaben ilun nicht nndir zu essen als was sie übrig Hessen, und taten ihm Herzeleid an, wo sie nur konnten. Fs trug sich zu, dass Zweiäugloin ins Feld gehen und die Ziege hüten musste und noch ganz hungrig war, weil ihm seine Schwestern so wenig zu essen gegeben hatten. Da setzte es sich auf einen Hain uiul ting an zu weinen und so zu weinen, dass zwei Hächlein aus seinen Augen herabflossen. Und wie es einmal aufsah, stand eine Frau neben ihm, die fragte: „Zweiäuglein, was weinst du?" Zweiäuglein antwortete: „Soll icli nicl'.t weinen? weil ich zwei .\ugen habe wie andre Menschen, Sil können mich meine Schwestern und meine Mutter nicht leiden, stossen mich herum, werfen mir alte, schlechte Kleider hin und geben mir nur zu essen, was sie übrig lassen. Heute haben sie mir fast garnichts gegeben, dass ich noch ganz hungrig bin." Sprach die weise Frau: „Zweiäuglein, ti'ockne dir dein Angesicht, ich will dir etwas sagen, dass du nicht melir hungtu'n sollst. Sj)rich nizr zu deiner Ziege „Zicklein, meck, Tischlein, deck", 9* 132 — Diftisti' slflirti lliilli- sirinin ilinini Hiiii^''()r »liiii' ( inii>/<' ;rolli.iii iitiil wollr (l(!S 'l'isclilciiis wii'dor i'iitilliri^'-fl sein, S(i (liii'IV. sie, mir sn^'»'!!'. Zicklein iiici-k! Tisciilüiii \v(!p-! und alles würde vor ihren Aiil und das Tischlein nicht mehr hraiichst, so sprich nur „Zicklein, meck, Tischlein, wog", so wird's vor deinen Augen wieder verschwinden." Darauf ging die woi.se I''rau loit. Zweiäuglein aber daclile, „ich muss gleich einmal versucluMi. tjb es wahr isl, was sie gesagt hat, ilenn mich hungt-rt gai- zu sehr", uiul s]iiach „Zicklein, meck, Tischlcin, deck", und kaum hatte es die Worte aus- gesprochen, so stand da ein TLsch- lein mit einem wei.ssen Tiichlein ge- dei kt, darauf ein Teller mit Messer uiul CJabel und Lö/Tel, die schönsten Speisen standen rund herum und waren noch warm, als wären sie eben aus der Küche gekommen. Da sagte Zweiäuglein das kürzeste Ge- bet her, das es wusste, „Herr Gott, sei unser Gast zu aller Zeit, Amen", und langte zu und liess sich"s wohl- schmecken. Und als es satt war, sprach es, wie die weise Frau es geheissen hatte, „Zicklein, meck, Tischlein, weg". Alsbald war das Tischchen und alles darauf wieder verschwunden. „Das ist ein schöner Haushalt", dachte Zweiäuglein und war ganz vergnügt und guter Dinge. Abends trieb es *;eine Ziege heim und rührte das irdene Schüsselchen mit Essen, das ihm die Schwestern hingestellt hatten, gar nicht an, und am andern Tag zog es wieder mit — 133 lind nuniiR'hr oliin' Smui'H daruiH l('l)Pli köiini'. Sil- iiKichtf sich (lahfi- mit iliM- spärlii'luMi und ^oiiii;^-!'!! Kust, (lif iiKiii il:r 7.U Haust? nach o-ewöludic-licr Art /.uiconinien Hess, wenig' zu schalTcii und Hess sen)i.ü'»> nicht sehen gtiu/. und gar stehen, wnrüher die. Ihrigen, die tloch nieht wxissteii, von was sie sich sonst er- nähre, sicii nichl wenig verwun- dertiMi. dar haid aher kamen diese auf die N'ernuUliuiig, liass Zwei- äughMn, die doch snnsl aucji (Ho schhn-hte Kost luchl verschmäht halte, ein Mittel ausflu(Hg gemacht haben müsse, wodurcii sie sich, wenn sie vom Hause entfernt und mit der Ziege auf der Wei(h' sei, iiireii l'nter- lialt erwerbe. l'm nun Inerbei hinter die Wahr- lieit zu kommen, musst(> das näcliste Mal, als Zweiäuglein wiedei" nüt der Ziege auf die Weide ging, F]inäuglein mitgehen, um dem Mittel, dessen sich Zweiäuglein zu ihrer Sättigung bediene, auf die Spur zu kommen. Zweiäuglein aber merkte gar ])ahl, was num gegen sie im Schilde führe, iiiu! nahm sich vor, ihre Nachsteller, der angewandten Vorsicht unge- achtet, zu täuschen. Sie wusste es durch allerhand Liebkosungen so weit zu bringen, dass Einäughdn sich auf den Feldrain in das weiche Gras zu ihr setzte; nun aber suchte sie sie einzuschläfern, indem sie ihr allerlei langweilige Märlein erzäldte und ilir, da .sie nun bald einschlafen wollte, immer vorsang: l'^inäuglein wachst Du? p]inäiiglein schläfst Du? Und hiermit gelang es ihr, Einäug- lein in einen festen Schlummer zn singen, was sie von Herzen freuete, seiner Ziege hinaus und lie.ss auch die paar Brocken, die ihm gereicht wuiden, liegen. Das er.ste Mal und das zweite Mal achteten es die Schwestern nicht, wie es aber jedes- mal geschah, merkten sie auf und sprachen, „es ist niclit richtig mit dem Zweiäuglein, das lässt jedesmal das Essen stehen, und hat doch sonst alles aufgezelirt, was ihm gereicht wurde: das muss andere Wege ge- funden hahen." Dauul sie aber hinter die Wahrheit kämen, sollte ICinäuglein mitgolicn, wenn Zwei- ängleiu die Ziege auf die Weide trieb, und sollte Aclit haben, was es da vorhätte, und ob ihm jemand etwa ivss(Mi und Trinken brächte. Als nun Zweiäuglein die Ziege wieder hinaustrieb, trat Einäuglein zu ihm und sprach: „ich will nüt ins Feld und sehen, dass die Ziege auch recht geliütet und ins Futter getrieben wird." Aber Zweiäuglein merkte, was P]inäuglein im Sinne liatte, und tiieb die Ziege hinaus in liohes Gras und sprach: „komm Ein- äuglein, wir wollen uns hinsetzen, ich will dir was vorsingen." Ein- äuglein setzte sich hin und war von dem ungewohnten Weg und von der Sonnenhitze müd, und Zweiäuglein sang immer „Einäuglein, wachst du? Einäuglein, schläfst du?" Da tat Einäuglein das eine Auge zu und schlief ein. Und als Zweiäug- sah, dass Einäuglein fest schlief und nichts verraten konnte, sprach es „Zicklein, meck, Tischlein, deck", und .setzte sich an sein Tischlein und ass und trank bis es satt war, dann rief es wieder — i:i4 — (li-nii uM/r'-srlii'UcI spiacli sie iiiiii (las ffoldfMU! Spriichloiii: Zickl(Mn inock! Tisi-hloin deck! ass und trank und war ffiitfi I tiii^-i-: und als sio (U'ssnn K''""«" l'iiUc, spi'acli sie wiodci': Zicklein ni<'ck! Tisch lein wej! I und Tist-liloin und Speisen war in alsbald wieder verschwunden, also dass KinUufjleiii, die unterdessen ruhi^? f()itrnähren wissen möge, so gab sie Zweiäuglein am andern Tage ihn' älteste Schwester Dreiäuglein mit auf die Weide, vermeinend, da.ss diese, was Einäuglein mit ihrem einen Auge nicht zu gewahren im Stande gewesen sein möchte, mit ihren drei Augen doch wohl in Obacht nehmen würde. Aber auch diese suchte Zweiäuglein auf die nämliche Art, wie sie bereits gestern bei Kinäugleingethan, einzuschläfern. Allein da sie anstatt Dreiäuglein wachst Du? Dreiäutflein schläfst Du? „Zicklein, ineck, Tischleiii, weg** und es verschwatii! alles und Zwei- iiuglein w<-ckt<- nun «las Kinüuglein und s|)rach: „lOi, lOinäuglein, du willst liiilen und .schläfst dabei ein, derweil hätte die Ziege in alle Well laufen könnoii: komm, wir wollen nach Maus gehen." Da gingen sie nach Haus und Zweiäuglein liess wieilei- sein Schii.s.seloh<*n unange- rührt stehen und Hinäuglein konnte der Mutter nii'en, ans Unhedaclil- sauikeit Dicüiufrlein wachst Ihi? Z\veiänf;leiii srliläfst Du? san<4': so war das diiUe Aiifi-e Droi- ;iug:lt'iiis, (iliiie dass Zweiäiiglein es l)i'nif'rklo, immerfort waclieiid ge- hliebt'ii, ob sio os «ileicli wio st-lda- Icnd immor ziigoblinzt liatto. Di-eiänglein hatte also mit ihrom drittem Auge gar wolil in Obacht genommen, was Zweiäuglein mittler- weilen mit der Ziege vorgenommen, und iiattc es gar wohl mit angehört, wie sie durch das Sprüclilein Zicklein meck! Tischlein deck! sich ein gar herrliches Malil Ix;- reitet und wieder durcli das Sprüch- lein Zicklein meck! Tischlein Aveg! solches vor aller Augen verborgen hatte: und froh wegen solcher Ent- deckung, berichtete nun Dreiäuglein bei ihrer Nachhausekunft solches alles haarklein der Mutter. Diese aber war hierüber so zornig, dass sie sogleich den Untergang jener Ziege beschloss und sie auch wirk- lich alsbald schlachtete. Hierdurch nun ward das gute Zweiäiiglein in die äusserste Betrübnis versetzt, weil sie nun des Mittels wieder be- raubt war, sich für allen Mangel und Kummer schadlos zu halten. Trauernd setzte sie sich einsam auf den gewohnten Feldrain und weinte bitterlich. Siehe, da stand plötzlich jene Fee w^ieder vor ihr, die ihr schon einmal aus der Not geholfen und fragte .sie mit leutseliger Stimme, was ihr immer noch fehle. Da klagte ihr Zweiänglein ilir neues Herzeleid zwei Augen zu und schliefen, aber das dritte, das von dem Sprüchlein niclit angeredet war, schlief nicht ein, doch Dreiäuglein tat es zu, aber aus List gleich als schlief es auch damit: doch blinzelte es und konnte alles gar wohl sehen. Und als Zwei- äuglein meinte, Dreiäuglein schlafe fest, sagte es sein Sprüchlein „Zicklein, meck Tischlein, deck", ass und trank nach Herzenslust und hie.ss (lanii das Tischlein wieiler fortgehen, „Zicklein, meck Tisclilein, weg", und Dreiäuglein hatte alles mit an- gesehen. Da kam Zweiäuglein zu ihm, weckte es und .sprach, „ei Drei- äuglein, bist du eingeschlafen? du kannst gut hüten! komm wir wollen heim gehen." Und als sie nach Haus kam, ass Zweiäuglein wieder nicht, und Dreiäuglein sprach zur Mutter „ich weiss nun, wariini das hoch- mütige Ding nicht isst: wenn sie draussen zur Ziege spricht: „Zicklein, meck, Tischlein, deck", so steht ein Tischlein vor ihr, das ist mit dem besten Essen besetzt, viel besser, als wir's hier haben; und wenn sie satt ist, so spricht sie „Zicklein, meck Tischlein, weg", und alles ist wieder verschwunden; ich hab es genau mit angesehen. Zwei Augen hatte sie mir mit einem Si)rüchlein eingeschläfert, aber das eine auf der Stirne, das war zum Glück wach geblieben:" Da rief die Mutter zornig" „willst du's besser haben als wir? die Lust soll dir vergehen!" Sie holte ein Schlacht- — 1 30 — 1111(1 liaj^ti' sie (i'(MilnT/.i^'-: oh ilic tiiiii noch was für ihr Wohl /,ii thiin iihrif^ soi ? Die l"'co ahcr hattf ainh (lifsnial füllten iJatli für sie uikI .sa;rlc: sif solh^ sich nur- dir lOiinri-woiih' voll (icr fj:('sciila(hlft('ii /icjr«' «•<'l>«'i> lassen, dioso a])or an dfi- llaiisthiiif vorprahon, daraus würth; iinlclilhar ihr kiiiil'ti^i'cs (Jliick ciwachsi'n. ()h nun wolil (liest! ^nsaji'e lit'in ;;ultii Z\voiäu;,''h'in sehi' wuudersani vorkommon mussto, so besrhloss sio (hirli (h'iii I\a1hp joner Fee, zu dor sie cinnial riii uiihcyrcnzlcs Zu- trauen leicli mit leieliler Mülie bald iiinauf waren, so entwich i^'leiehwie es dem Tan- talus in jener heidnischen Kabel er- ffieng, doch allemal jede Frucht und jeder Zweig ihren Händen, wenn sie darnach fassen w^ollten : und rück- lings fielen sie dann nur noch schneller hinunter als sie liinauf- gestiegen waren. Einzig und allein Zweiäugicin. d(>r jener Baum zum Eigentum angehörte, war so glücklich, sich davon ab- pflücken zu können, soviel sie nur wollte, denn niir ihr war es ver- gönnt, ungefährdet hinauf und hin- unter steigen zu können. Darum ward sie denn auch von ihren Schwestern niclil wenig beneidet und verfolgt, und dalier kam es denn auch, (lass, da eben, als sie Alle um jenen Baum versammelt standen, ein fremder, junger schöner Hei-r lierangeritten kam, Zweiäuglein samt iliren goldenen Früchten unter ein grosses, leeres Fass versteckt wurde, denn die übrigen glaubten, dass der schöne fremde Bitter sie selbst ganz aus der Acht lassen möchte, wenn Zweiäuglein, die obendrein schöner als sie war, ihnen mit den Wunder- früchten zur Seite stände, woran sie denn auch wohl niclit unreclit haben mochten. Kaum war nun der schöne fremde merkte es, dass er aus den Einge- weiden der Ziege aufgesprosst war, denn er stand gerade da, wo sie es hinhegrahen hatte. Da s|)rach die .Mutter zu l^inäughdn: „steig hinauf, mein Kind, und brich uns dieFriu-hle von dem Haumc al)." Einäuglein stieg hinauf, aber wie es einen von den goldenen Äpfeln greifen wollte, ii dt-m so glänzondcn und scliönon IJaiiinc So|(di(!s nun war don hoidcMi Mägd- lein sehr erwünschl und sie sUenglcn nun eine nacli der andern notdmials ihre Kräfte auf das schärfslf an, iiiu dem scdiünen HauuH' ein«; l'nirhl abzugewinnen, die sie dem l''icni(lrn vereiiren könntiMi ; keineraher mocidf es, ehensoweiug wie bisiier, gi'lingt'ii ; und ebenso erging es ch-r Mutter, die so gern ihren lieben Töchtern auf diesem Baume zu einem Manne vcrliolfen hätte. Da verwunderte sich der schöne fremde Herr nicht wenig, wie Jemand il(Mr des Baumes, nicht aber auch zugleich Herr von dessen Früchten und Blättern sein könne und meinte, es müsse doch notwendig wohl noch sonst jemand im Hause sein, dem dieser Baum gehöre und der Macht über denselben habe; und er fragte aucb zum öftern, ob sich dieses nicht also verhalte? Doch sowohl Mutter als Kinder leugneten es standhaft und beharrten darauf, dass ausser ihnen niemand hier sei und der Baum niemand Anderm angehöre, als ihnen. LTjer solche Reden aber ärgerte sich Zweiäuglein, die das alles unter dem Fasse ruhig hatte mit anhören müssen, niclit wenig und um den Fremden von der Unwahrheit der- selben zu überzeugen, schob sie einige der glänzenden, goldenen Früchte unter dem Fasse hervor zu seinen Füssen. Kaum hatte der Fremde dies zu seiner nicht geringen allein die Früchte holen konnte und jringcn noch härter mit ihm um. I-N liiig sich zu, als sie einmal heisammen an dr-m Baum standen, dass ein junger Bitter daher kam. ..(iesehwind, Zweiäuglein", riefen ilie zwei S«'hwestern, „kriech unter, dass wir uns deiner nielit .schämen müssen", und stürzten über das .irnie Zweiäuglein in aller F<'ile ein lei-res l'ass, das gerade nelien dem Baume slaiul, und schol)en die gol- denen .\])fel, die es abgebrochen halte, auch darunter. Als nun der Bitter näher kam, war es ein .scliöner Herr, der hielt still, bewunderte den piächtigen Baum von fJoId und Silber und sprach zu den beiden Schwestern, „wem gehört dieser schöne Baum? wer mir einen Zweig davon gäbe, könnte dafür verlangen, was er wollte." Da antworteten Ein- äuglein und Dreiäuglein, der Baum gehörte ihnen zu, und sie wollten ihm einen Zweig wohl abbrechen. Sie gaben sich auch beide gros.se Mühe, aber sie waren es nicht im- stande, denn die Zweige und Früchte wichen jedesmal vor ihnen zurück. Da .sprach der Ritter, „das ist ja wunderlich, dass der Baum euch zugehört und ihr doch nicht Macht habt, etwas davon abzubrechen." Sie blieben dabei, der Baum wäre ihr Eigentum. Indem sie aber so sprachen, rollte Zweiäuglein unter dem Fasse ein paar goldene Äpfel heraus, so da.ss sie zu den Füssen des Ritters liefen, denn es war bö.s, dass Ein- äuglein und Dreiäuglein nicht die Wahrheit .sprachen. Wie der Ritler die Äpfel sah, erstaunte er und fragte, wo sie herkämen. Einäuglein und Dreiäuglein antworteten, sie 139 Verwunderuno- g-ewahrt, so drang er mm aiu-h darauf, das diejenige, welche hier notwendig unter jenem ]''asse verl)orgen sein müsse, iind lue duich den Besitz der schönen githlenen I"'riielde dargethan lial)e, dass sie Maclit über jenen Baum hahe, liervorgelassen werden möge. Nun aber konnten Mntter und (lesohwister nicht länger abwehren, Zweiäuglein kam getrost unter dem Kasse hervor, verhoffend, dass der Fremde sie gegen alle und jede Feindseligkeit der Ihrigen beschützen würde. Sie sagte es demnach frei lieraus, dass der wundei-reiche Baum mit den schönen Früchten Niemand andern angehöre, denn ihr allein, stieg zum Beweis dessen behend und imgehindert hinauf, brach den allei'schönsten Zweig mit den glän- zendsten Früchten davon ab und verehrte solchen gar bescheidentlich dem schönen fremden Herrn. Dieser nun, nicht wenig erfreut darüber, seines Wunsches teilhaftig geworden zu sein, fragte Zweiäuglein freundlich.st, wie er sie wohl für solche Gefälligkeit belohnen könne-' Sie aber bat ihn flehentlich, dass er sich ihrer möge annehmen, und sie erlösen aus dem mütterlichen Hause, wo man ihr so lieblos begegne. Dies versprach der Fremde, — die Mutter und Schwestern aber mochten es gar gerne und gar ungerne mit an- sehen, wie der schöne, junge Ritter Zweiäuglein sich auf sein Rösslein nahm und munter mit ihr davon trabte. Denn so sehr es sie auch ergötzte, des ihnen verhassten Zwei- äugleins niinmehr entübriget zu sein, eben so sehr beneideten sie dasselbe dennoch um die guten Tage, die ihm hätten noch eine Schwester, die dürfe sich aber nicht sehen lassen, weil sie nur zwei Augen hätte, wie andere gemeine Menschen. Der Ritter aber voilangte sie zu sehen und rief „Zweiäuglein, komm hervor". Da kam Zweiäuglein ganz getrost unter dem Fass hervor, und der Ritter wai' verwundert übei- seine gro.sse Schönheit und sprach: „Du, Zwei- äugltdn, kannst mir gewiss einen Zweig von dem Baum abbrechen." — „'l;!'", antwortete Zweiäuglein, „das will ich wohl können, denn der Baum gehört mir." Und stieg hinauf und brach mit leichter Mühe einen Zweig mit feinen silbernen Blättern und goldenen Früchten ab, und reichte ihn dem Ritter hin. Da sprach der Ritter: „Zweiäuglein, was soll ich dir dafür geben?" „Ach", antwortete Zweiäuglein, „ich leide Hunger iind Durst, Kummer und Not vom frühen Morgen bis zum sj)äten Abend: wenn Ihr mich mitnehmen und erlösen wollt, so wäre ich glücklich." Da hob der Ritter ilas Zweiäuglein auf sein Pferd und brachte es heim auf sein väterliches Schloss: dort gab er ihm schöne Kleider, Essen und Trinken nach Herzen.slust, und weil er es so lieb iiatte, Hess er sich mit ihm einsegnen, und ward die Hoch- zeit in grosser Freude gehalten. — 140 null lit'i dein s(*liin, al.s eben Jener Baum .samt .seinen schöaen Kriichlfu am näclisten Morg^en vor ihrem Fenster |)ranfite: denn ihr. der er einzit;' und allein anjifehürte. war er naehgefolfrl. Ob solcher schönen Mitgift .schätzte nun der junge Ritter Zweiäuglein noch einmal so hoch, verhielt sie überaus gut im Essen und Trinkon, gab ihr die allerschönsten Kleider und Hess sie unterweisen in allen Künsten ihres Geschlechts und reiclite ihr endlich aus übergrosser Liebe am Traualtare seine Hand. Als Gemahlin dieses schönen Ritters lebte Zweiäuglein nur noch glücklicher, und es machte ihr nichts grössere Freude als von dem, was ihr so reichlich zugeteilt war, mit- teilen, zu können denen, die nichts hatten. Schon lange Jahre waren ihr so vergangen, als auch einstmals zwei Frauen ihre bekannte Güte und Leutseligkeit ansprachen, weil sie vor Armut verderben zu müssen er- achteten. Zweiäuglein, die nunmehr reiche Edelfrau, erkannte alsbald in Wie nun Zweiäuglein sr) von dem schönen |{itt<'rsinann fortgeführt wurde, da waren die zwei Hchwe.slern leehl neidisch über sein Glück. „Nun, der wunderbare Hauni bleibt uns", dachten .sie, „können wir auch keine l-'rüchto davon brechen, .so wird doch jedeimann (ijrl<,.ii wc;,'-«!!! ? ..VA, was sdlir iili liaurcn, ^csuihI hin ich, iirid (Jchl(\s liah' ich ^riaiisaiii viel, hiaiirhc iiichls zu sor^'d!; was icli in (lii'i Jahren hoi iiioiiifin l|i rin vcr(li(Mil, das hah icli jjcsparl iiml ist all" nioiii." ,.\Vio viel isl denn doincis (iiits-"" sprach das Männh^iii. ..Die! pan/.er IMoniiif,''", sajrt«^ «h-r KiH'chl. „SciicnU' inii' dciiu' drei rfennigo, ich bin ein armci- Mann." Der Knoch( war ahor '^tilmiiliK', cr- l)arnile sich und gah sie hin. Sprach der Mann: .,\voii du reines Heizens bist, Siillcn dir drei Wünsche er- laubt seyii, für jeden IM'ennig einer, so hast du was dein Sinn begehrt." Das war der Knecht wohl zufrieden, (lachte, Sachen sind mir liel)er als Geld und sprach: „erstens wünsche ich mir ein "Vogelrohr, das alles trifft, was icli ziele, zweitens eine Fiedel, wenn ich die .streiche, muss alles tanzen, was sie hört; drittens, worum ich die Leute bitte, dass sie es mir nicht abschlagen dürfen.'' Dass Männchen sagte: „alles sey dir gewährt'-, und stellte ihm Fiedel und Vogelrolir zu: darauf ging es .seiner Wege. Mein Knecht aber, war er vorher froh gewesen, dünkte er sich jetzt noch zehnmal froher und ging nicht lange zu, so begegnete ihm ein alter Jude. Da stand ein Baum und oben- drauf auf dem höchsten Zweig sass eine kleine Lerche und sang uiul sang. ,,(Totts Wunder, was so ein Thierlein kann, hätt' ich's, gab' viel darum."' Wenn es weiter nichts ist, die soll bald herunter"', sagte der drei .lahre ehrlich gedient, seid so gut und geht mir. w;is mir von |{e(hts wegen zukommt; idi wollte fort und mich gerne weiter in der Well iimsehon." Da .-intworlele der (ieizlials: ,ja, mein lieber Knecht, (In hast mir unverdrossen gedient, dafür sollst dn iiiildiglich belohnt werden'", grilTabermals in die Tasche lind zählte dem Knecht drei lleller einzeln auf. ..da hast du für jedes .Jahr einen Heller, das ist ein grosser lind reichlicher Lohn, wie du ihn ixi wenigen Herrn empfangen hättest. Der gute Knecht, der vom (Jeld wenig verstand, strich sein Ka|iital ein und dachte: ,.niin hast du vullauf in der Tasche, was willst du sorgen und dich niil sdiwerer Aibeji länger ]}lagen." Da zog er fort, hergauf, bergab, sang und sprang nach Herzenslust. Nim trug es sich zu, als er an ein Buschwerk vorüberkam, da.ss ein kleines Männchen hervortrat und ihn anrief :„Wohinaus,BruderLust ig? ich sehe du trägst nicht schwer an deinen Sorgen." „Was soll ich traurig sein", antwortete der Knecht, ich habe vollauf, der Lohn von drei Jahren klingelt in meiner Tasche." „Wieviel ist denn'deines Schatzes?" fragte ihn das Männchen. „Wieviel? drei bare Heller richtig gezählt." „Höre", sagte der Zwerg, „ich bin ein armer bedürftiger Mann, schenke mir deine drei Heller; ich kann nichts arbeiten, du aber bist jung und kannst dir dein Brot leicht ver- dienen." Und weil der Knecht ein gutes Herz hatte und Mitleid mit dem Männchen fühlte, so reichte er ihm seine di"ei Heller und sprach: „in Gottes Namen, es wird mir doch — -143 KiH'rht, setzte sein l\i»lir an und sflinss die Leiclie auf das Haar, dass sie den Hauin lietalifiel, „gehet liin und leset sie auf", sie war aber pau'/. tief in die Dürner unten am liauni liineinfiffallfii. Da krtnh diT .luil" in den Huscli. und wir er inillni diin Stack, y.n'j: mein Ivnci-lil seine Fiedel und ^eiiilc, lin.«:- der .Ju.> t> fibai mte, tiiul dur Ki'il. (lor es ^olhaii liiillc, tiiiji-c citj Kolir aiit' il)Mii Mui-ki-l iitiil <'iii)> (ici<.<-i> liiii;:!' an seinem Hals. Da samlle cr rr lliat's dich allein erwische! icli will dicli nicht eher, bis ilmi dei Richter das jagen, dass du die Schuhsohlen ver- Leben nicht nur silienkte, sDudern Heren sollst! du Lump, steck einen auch verspracli, die hundert (iulden (Jruschen ins Maul, dass du sechs zu lassen. Und erst nocii rief er Heller wert bist"', und schimpfte dem Juden zu: ,,S|)it7.hub' gesteh', weiter, was er nur losbringen konnte, wo du (las (Ich! Iier liast, sonst hör Und als er sich damit etwas zu ich dir nicht auf zu sjjielen." ,,Ich Ciute g-ethan und Luft gemacht hatte, hab's gestohlen, ich hab's gestohlen. lief er in die Stadt zum Richter, und du hattest es ehrlich verdient", ,.IIerr Richter, au weih geschrien, schrie der Jude, da.ss es alle hörten. icli hin auf offener Landstrasse be- Da Hess mein Knecht die Ceige raid)t und übel zugerichtet worden ruhen und der Schutt wurde für von einem gottlosen Mensclien: ein ihn am (Jaigeii geiiäiigt. Stein aiif dem Erdboden niöclde sich erbarmen: die Kleider zerfetzt, der Leib zerstochen xmd zerkratzt, das (leid samt den Beutel genommen! hinter Dukaten, ein Stück scliöner als das andere: um Gotteswillen, lasst i\cn Menschen ins (iefängnis werfen." Sprach der Richter: „War's ein Soldat, der dich mit seinem Säbel so zugerichtet hat?" — „Gott bewahr!" sagte dei" Jude, „einen nackten Degen hat er nicht gehabt, aber ein Rohr hat er gehabt auf dem Buckel liängen und eine Geige am Hals, daran i.st er leicht zu erkennen." Der Richter schickte seine Leute nacii ihm aus, die fanden den guten Knecht, der ganz langsam weiter gezogen war, und fanden auch den Beiitel mit Gold bei ihm. Als er vor Gcriclit gestellt wurde, sagte er: ,,Ich liabe den Juden nicht angerührt und ilim das Geld nicht genommen, er hat mir's aus freien Stücken angeboten, damit ich nur aufhörte zu geigen, weil er meine Musik nicht vertragen konnte." „Gott bewahr!" schrie der Jude, „der greift die Lügen wie Fliegen an der Wand." Aber der Richter glaubte es auch niciit und sprach: „Das ist eine schlechte Entschuldigung, das thut kein .hule". und verurteilte den guten Knecht, weil er auf offener Sti'asse einen Raub begangen hätte, zum Galgen. Als er aber abgeführt ward, schrie ihm noch der Jude zu: „Du Bärenhäuter, du Hundemusikant, jetzt kriegst du deinen wohlverdienten Lohn." Der Knecht stieg ganz ruhig mit dem Henker die Leiter hinauf, auf der letzten Sprosse aber drehte er sich um und sprach zum Richter: „(iewährt mir noch eine Bitte, ehe ich sterbe." „Ja", sprach der Richter, „wenn du nicht um dein Leben bittest?" ,, Nicht ums Leben", antwortete der Knecht, „ich bitte, lasst mich zu guter Letzt noch einmal auf meiner Geige spielen." Der Jude erhob ein Zetergeschrei: ,.Um Gotteswillen, erlaubt's nicht, er- laubt's nicht." Allein der Richter spracli: „^Yarunl soll ich ihm die kurze Freude nicht gönnen, es ist ihm zugestanden, und dabei soll es sein Be- wenden haben." Auch konnte er es ihm nicht abschlagen, wegen der Palaestra XLVil. 10 — 14(1 — (Jal)«, die tifiii Kin-clil vcrliflicri war. 1)^.T^ . ■ ^ ■;-'Tr^